Rezension

Melancholisch, leise, toll!

Idaho - Emily Ruskovich

Idaho
von Emily Ruskovich

Bewertet mit 5 Sternen

Dieses Buch ist mein bisheriges Lesehighlight 2018. Schon nach den ersten fünfzig Seiten war ich verliebt in den ruhigen, melancholischen Schreibstil, in das angedeutete Drama, in den einfühlsamen Ton.

Ann lebt mit ihrem Mann Wade in einem abgeschiedenen Holzhaus nahe des Städtchens Ponderosa. Die Winter in Idaho sind hart, die Sommer wunderschön. Ann liebt Wade sehr, doch sie weiß auch, dass sie nur mit ihm zusammen sein kann, weil in seiner Vergangenheit etwas Schreckliches passiert ist. Seine erste Frau sitzt im Gefängnis. Sie soll seine kleine Tocher May erschlagen haben, seine andere Tochter June ist seitdem verschwunden. Wade redet nicht gerne über den Verlust und durch seine Frühdemenz vergisst er auch immer mehr von der Familie, die er einmal hatte. Aber Ann lässt die Geschichte nicht los. Sie malt sich aus was passiert sein könnte. Stellt sich das Leben vor, das sich im Haus abgespielt hat, bevor sie kam. Verliert sich in jedem Detail. Emily Ruskovich erzählt aber auch aus Wades und Jennys früherem, gemeinsamem Leben. Sie erzählt aus der Sicht von Wades Tochter oder einer Mitgefangenen Jennys. Man erfährt viele Details aus verschiedenen Leben, nur den Tag des Dramas spart sie aus. Für mich hat das perfekt gepasst. Es ist schließlich kein Kriminalfall der gelöst werden will. Es ist passiert. Wie alle Jahre später damit umgehen ist das Interessante.

Ich habe sehr mit Ann mitgefühlt. Mit ihrem verzweifelten Wunsch die Wahrheit zu kennen und sich doch immer weiter davon zu entfernen. Weil ihr Mann sie vergisst. Sie versucht die Leere zu füllen, von der er irgendwann nicht mehr weiß, warum sie in ihm ist. Und sie macht all das auf eine unglaublich liebenswerte Art. Erinnerungen, ihr Verschwinden und ihre Wandelbarkeit sind ein zentrales Thema, das meist wie nebenbei umgesetzt wurde.

Ich fand das Buch einfach unglaublich schön geschrieben. Es ist traurig aber nie zu sehr. Die atmosphärischen Beschreibungen strahlen immer auch eine Ruhe aus, die das Drama abdämpft. Die es zu etwas macht, das man genießen kann. Ich glaube, wer Szusza Banks „Die hellen Tage“ geliebt hat, den wird auch „Idaho“ begeistern können. Für mich ist es ein Buch, das mir noch lange im Kopf bleiben wird und das man wunderbar noch ein zweites oder drittes mal lesen kann.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 06. Juni 2018 um 09:09

Das ist ein Roman, den ich des Themas wegen für mich ausgeschlossen hatte, aber Minzi, das ist eine so schöne Rezension, so einfühlsam wiedergegeben, dass ich ihn doch gelesen hätte, wenn man ihn mir derart nahegebracht hätte, als ich auf ihn aufmerksam wurde.

Naibenak kommentierte am 06. Juni 2018 um 09:44

So toll, Minzi! Ich kann mich Wandas Worten nur anschließen, das hast du echt warmherzig und einfühlsam wiedergegeben ♥ Danke dafür. Buch ist gemerkt!