Rezension

Melancholisch und emotional, aber mit kleinen Schwächen

Eine Liebe, in Gedanken - Kristine Bilkau

Eine Liebe, in Gedanken
von Kristine Bilkau

Bewertet mit 4 Sternen

Was wirklich bleibt

„Natürlich können wir Zukunftspläne schmieden, aber wir dürfen uns nicht in Tagträumen verlieren. Wir müssen fest in der Gegenwart stehen, denn die Gegenwart ist das Rohmaterial für die Zukunft.“

 

Inhalt

 

Edgar und Antonia waren Mitte der 60-iger Jahre ein schönes Paar, sie wollten heiraten und sich eine gemeinsame Zukunft aufbauen. Er bekommt die Chance als Kaufmann nach Hongkong zu gehen und sich dort zu profilieren, sie möchte ihm gerne folgen, sobald klar sein wird, wie genau das Leben in Fernost aussehen wird. Sehnsüchtig wartet sie nicht nur auf die hunderten Briefe, die sich im Laufe der Zeit ansammeln, sondern auch auf ein Flugticket zum Geliebten. Doch für Edgar wird klar, dass er sich ein Leben mit Antonia in Hongkong nicht mehr vorstellen kann und so lässt er die Beziehung auslaufen. Ohne böse Worte, ohne große Abschiedsszene. Die junge Frau muss sich neu finden und einen anderen Lebensweg einschlagen, fernab vom Mann ihrer Träume, fernab von einer schillernden Zukunft mit zahlreichen Perspektiven. Doch sie lässt sich nicht entmutigen und beginnt, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, dass beste aus der Situation zu machen – sie findet eine neue Liebe, bekommt eine Tochter und denkt nur noch manchmal an das, was sie verloren hat. Jahre später, nachdem Antonia gerade verstorben ist, beginnt ihre Tochter, sich auf die Suche nach der großen Liebe ihrer Mutter zu machen und versucht zu verstehen, warum Edgar Janssen bis zum Schluss ein wichtiger Pfeiler im Leben von Antonia war …

 

Meinung

 

Die Hamburger Autorin Kristine Bilkau, die bereits mit ihrem Debütroman „Die Glücklichen“ sehr erfolgreich geworden ist, greift hier auf eine äußerst nachvollziehbare, zu Herzen gehende Geschichte zurück. Sie erzählt von Dingen, die greifbar, akzeptabel und sehr nachvollziehbar sind. Sie wendet sich mit einem sanften, vorurteilsfreien Blick der Vergangenheit zu und beschreibt nichts anderes als den unberechenbaren Lauf des Lebens, mit Höhen, Tiefen und verpassten Chancen. Aber auch mit Hoffnungen, Wünschen und dem Glauben an das Gute. Dieser ehrliche, ungeschönte Blick auf die Ereignisse eines vergangenen Menschenlebens macht den Charme dieses Romans aus, zeigt Menschlichkeit und Empathie, ohne ins Pessimistische zu verfallen. Fast so, als würde man selbst erkennen, dass nicht immer alles so enden muss, wie man es erträumt hat, aber doch nicht schlecht ist und es sich lohnt, nach Fehlschlägen wieder aufzustehen und weiterzumachen, selbst wenn der Verlust größer ist, als man sich zunächst eingestehen möchte.

 

Die Ich-Erzählerin des Romans schildert aus der Gegenwart heraus die Erlebnisse ihrer Mutter, sie betreibt in gewisser Weise auch Vergangenheitsbewältigung, denn ihr eigenes Leben war von der Gestalt Edgar Janssen nicht unwesentlich geprägt, da ihre Mutter, eine offene, freiheitsliebende, ehrliche Person war und ihr Kind in ihre Lebensentscheidungen mit einbezogen hat. Durch diese übergeordnete, aus zweiter Hand bekommene Einsicht, blieben mir leider die beiden Hauptprotagonisten des Buches etwas fremd. Weniger ihre sichtbaren Eigenschaften, als vielmehr ihre Innerlichkeit. Über weite Teile des Buches, blieb mir die Handlung zu oberflächlich, die Gefühle von Antonia und Edgar leicht getrübt, was sicherlich daran lag, dass sie nicht selbst erzählen, sondern das die Tochter versucht, die Gedankengänge zusammenzuführen. In diesem Schachzug der Autorin liegt damit mein Hauptkritikpunkt: Ich hätte mir mehr Tiefgang, mehr Emotionen gewünscht, oder anders ausgedrückt, es hätte mir besser gefallen, wenn Antonia selbst die Erzählerin gewesen wäre.

 

Andererseits empfinde ich den Roman als eine äußerst gelungene Auseinandersetzung der Tochter mit dem Leben der Mutter – auch das ein interessanter Ansatzpunkt des Textes, der vor allem im letzten Drittel des Buches die Oberhand gewinnt und mich mit der Geschichte wieder aussöhnt. Erst hier kommen für mich all jene Gefühle zum Ausdruck, die ich mir bereits eher gewünscht hätte. Auch wenn es dann nicht mehr um die Liebe zwischen Mann und Frau, sondern zwischen Mutter und Tochter geht. Insgesamt ein wunderbarer Handlungsbogen, genau richtig, um zu reflektieren und Parallelen zu ziehen. Dazu ein sehr sanfter, leiser Erzählton, verfasst in eingängiger Sprache, einladend und zum Verweilen gedacht.

 

Fazit

 

Ich vergebe 4 Lesesterne für diesen Roman, der mit leichter Hand unterhält, eine schöne, wenn auch melancholische Geschichte offenbart, zahlreiche Überlegungen aufgreift, über die es sich nachzudenken lohnt und Menschen zeigt, die nicht perfekt sind, es auch nicht sein wollten und die trotzdem Spuren hinterlassen haben. Dieses Buch schildert das, was wirklich bleibt, von Handlungen, Erinnerungen, Wünschen und Träumen. Zeigt warum Liebe den Menschen nachhaltig prägt und warum man ein Leben im Schatten einer Möglichkeit lebt, ohne mit dem Alltag zu hadern. Dieser Punkt und seine vielschichtigen Ausführungen haben mich mit einer doch sehr distanzierten Liebesbeziehung versöhnt, deshalb kann ich diesen Roman durchaus weiterempfehlen.