Rezension

Mir fehlte auch etwas beim Lesen

Sonntags fehlst du am meisten - Christine Drews

Sonntags fehlst du am meisten
von Christine Drews

Bewertet mit 3 Sternen

Dieses Buch durfte ich vorab lesen. Das Thema Vater-Tochter-Konflikt hat mich persönlich interessiert. Caro, 44, ist wohlbehütet aufgewachsen als Lieblingskind ihres Vaters. Der hat sich vom Maurerlehrling hochgearbeitet, ist nun erfolgreicher Bauunternehmer. Nachdem Caro im Suff einen Unfall baute und ihren Vater anschließend übelst beschimpfte, haben beide seit über einem Jahr keinen Kontakt mehr. Der Aufbau des Buches ist so, dass es viele Rückblenden gibt, sowohl in Caros Vergangenheit, als auch in die ihres Vaters. Da jeweils die Jahreszahl dabeisteht, fällt die zeitliche Einordnung nicht schwer. Gut fand ich, dass thematisch Caros und Karls Erlebnisse irgendwie zueinander passen. Sie erinnert sich an eine Situation, fragt sich, warum ihr Vater sich damals wohl so verhalten hat ihr gegenüber. Und dann kommt als Rückblende viel weiter zurück in Karls Leben, die Erklärung. Diese Art der Gegenüberstellung fördert das Verständnis zumindest für Karls Verhalten. Andererseits wissen wir als Leser um diese Ursachen, nicht aber Caro. Trotzdem wächst im Laufe der Geschichte ihr Verständnis für den Vater.

Caro konnte ich nicht so richtig einordnen. Sie wirkt auf mich nicht wie 44 sondern viel unreifer, keine 30. Die Erklärung wird im Buch zwar geliefert, trotzdem wurde ich mit Caro nicht recht warm. Demgegenüber ist ihr neunjähriger Sohn viel zu weit für sein Alter. Frag mal einen Neunjährigen, was er vom Zweiten Weltkrieg weiß. Ganz sicher nicht das, was Cornelius auf Seite 246 von sich gibt. Überhaupt ist das Thema 2. Weltkrieg meiner Meinung nach überpresent in diesem Buch. Sicher hat es die Generation der in dieser Zeit geborenen Kinder geprägt und teilweise auch traumatisiert. Sicher hat sich das auf ihre Einstellung ihren eigenen Kindern gegenüber ausgewirkt. Aber dass alle hier im Buch immer wieder vom Krieg und den Trümmern und den schweren Zeiten reden, 70 Jahre später, geht für mich an der Realität vorbei. Insofern liefert Caros wachsendes Verständnis für ihren Vater für mich auch keinen allgemeingültigen Ansatz. 

Die Figuren wirken größtenteils funktional, d.h. sie haben eine Aufgabe in dem Buch, und nur die dafür notwendigen Eigenschaften werden gezeigt. Die verständnisvolle Frau Schneider, der Caro guttuende Jakob, die Caro in ihrer Rolle bestärkenden Brüder. 

Zeitlich läuft das Buch auf die Goldhochzeit der Eltern hin, bei der die Familie die Versöhnung von Caro und Karl erwartet. Von Karl erfahren wir zwar Vieles aus der Vergangenheit, das Caro gar nicht wissen kann. Aber wie es ihm in diesem einen Jahr ohne Kontakt zu seiner Tochter ging, bleibt offen. Dabei wären gerade die Fragen, die er sich garantiert gestellt hat, interessant gewesen.

Am Ende des Buches bleibt das Gefühl, mehr Verständnis für diese Elterngeneration aufbringen zu müssen und trotzdem nicht zu wissen, wie. Nur der Krieg ist mir als Erklärung zu wenig.

Fazit: 3***