Rezension

Mit Anlaufschwierigkeiten

Das Jahr, in dem ich dich traf
von Cecelia Ahern

Cecelia Ahern ist eine Autorin, der es immer wieder gelingt, in jedem ihrer Bücher mit einem etwas anderen Schreibstil zu überraschen. Recht gewöhnungsbedürftig ist nun - zumindest anfangs – ihr  neuer Roman, in  dem sie den Lesern in einem durchgängigen inneren Monolog die Hauptfigur Jasmine vorstellt. Ein Jahr ihres Lebens begleiten wir Jasmine durch diesen Monolog, erleben ein Stück weit ihr Leben und auch die Ausnahmesituation, in der sie sich während dieser 12 Monate befindet.

Jasmine hat ihre Stellung verloren, bekommt aber für 12 Monate ihr Gehalt weiter gezahlt. In dieser Zeit darf sie keiner neuen Beschäftigung nachgehen, was für sie „zur Untätigkeit verdammt zu sein“ bedeutet. Sie hadert mit dieser Situation, trauert um den verlorenen Job und weiß anfangs nichts mit sich anzufangen.
Vor einiger Zeit hat sich Jasmine ein Häuschen in einer sehr ruhigen Wohnlage mit zumindest einem berühmten Menschen in der Nachbarschaft gekauft. Matt ist erfolgreicher Moderator einer nächtlichen Talk-Sendung, wobei sein Erfolg ein Stück weit einer gewissen Unverschämtheit seinen Gästen gegenüber geschuldet ist. Dies und seine allabendlichen späten Ankünfte in seinem Haus gegenüber, die von zuviel Alkohol, von Lautstärke und Gewaltbereitschaft begleitet werden, gefallen Jasmine überhaupt nicht.
Und auf Matt projiziert Jasmine einen großen Teil ihrer eigenen Gefühle, ohne sich allerdings darüber im Klaren zu sein. Und so sind die Gedanken, an denen sie ihre Leser teilhaben lässt, zunächst von einer ungeheuren Wut auf diesen ungehobelten Klotz im Haus gegenüber geprägt. Aber – in gewisser Weise sorgt sie sich auch um ihn, obwohl sie sich dies nie eingestehen würde. Auch um ihre Schwester Heather sorgt sich Jasmine, und sie meint, dafür neben der verworrenen Familiengeschichte, dem frühen Tod der Mutter, der neuen Familie des Vaters noch einen sehr wichtigen Grund zu haben.
Heather hat das Down-Syndrom, ihr Leben verläuft deshalb ein wenig anders als das der sogenannten „normalen“ Menschen, doch im Verlaufe des Romans scheinen sich die Rollen der beiden Schwestern ins Gegenteil zu verkehren. Jasmine muss erkennen, dass Heather im Gegensatz zu ihr selbst das Leben im Griff hat und auch schwierigen und nicht ganz alltäglichen Situationen gewachsen ist.
Viel passiert in diesen 12 Monaten in Jasmines Leben, aber auch in der Nachbarschaft, in der sie ihr Leben lebt und deren Teil sie nach anfänglicher Distanz immer mehr wird.
Gewöhnungsbedürftig ist anfangs ein wenig der Schreibstil dieses Romans, der nicht nur überrascht, sondern auch ein wenig sperrig daherkommt. So spricht sie Matt – und nur ihn – stets in der dritten Person an, das großgeschriebene SIE ist ein kleiner Ausbruch aus den Gedanken Jasmines, die sich sonst vorwiegend um die eigene Person drehen. Auf ihn kann sie wütend sein, ihn kann sie im Stillen beschimpfen, er ist ihr in gewisser Weise ausgeliefert und kann sich in dieser Art nicht wehren.
Wir begleiten Jasmine ein Jahr lang, in dem Vieles passiert, vor allem aber Veränderung eintritt. Langsam, still, aber stetig. Jasmine verändert sich, verändert ihre Sichtweise auf die Menschen in ihrer Umgebung und verändert auch ihr Handeln und damit ihr Leben.
Vielleicht haben auch wir Leser uns am Ende des Romans ein wenig verändert, mir scheint es nicht nur möglich, sondern auch ein wenig wahrscheinlich.