Rezension

Mit mehr Spannung hätte es mir noch besser gefallen

Wenn die Nacht in Scherben fällt - Anika Beer

Wenn die Nacht in Scherben fällt
von Anika Beer

Bewertet mit 3.5 Sternen

Story und Charaktere:

Nele hat eine ganz besondere Gabe – sie ist Klarträumerin und kann durch die Träume anderer Menschen wandern. In einem ihrer Träume begegnet sie dem Traumwesen Seth, der sie mit in die Unendlichkeit nehmen will. Ein verlockendes Angebot, das Nele jedoch ausschlägt. Schließlich hat sie gerade erst den Außenseiter Jari in der realen Welt kennengelernt. Als dieser jedoch plötzlich spurlos verschwindet und nur Nele ihn retten kann, muss sie tiefer in die Traumwelt eintauchen als ihr lieb ist – jetzt geht es nämlich um das Nachtglas und die Rettung der Welt. 

Nele ist gerade aus der lauten, turbulenten Großstadt München ins beschauliche Erlfeld gezogen, weil ihre Mutter dort einen neuen Job angenommen hat. Ihren Vater sieht sie nur selten, da er ständig auf Geschäftsreise ist. Zuhaust ist sie diejenige, die alles zusammenhält, für ihre Familie kocht und für gemeinsame Stunden sorgt. Nele liegt ihre Familie nämlich sehr am Herzen und sie hat ein sehr gutes Verhältnis zu ihren Eltern. Geschwister hat sie keine. 
Bunte Haare, auffällige Kleidung und ein Lippenpiercing an dem sie ständig rumkaut, machen das Erscheinungsbild komplett, das auch an der neuen Schule nicht unbemerkt bleibt. Durch ihre nette, herzliche, fröhliche, offene und selbstbewusste Art kommt sie jedoch trotz ihres speziellen Looks gut bei ihren Mitschülern an. Besonders hingezogen fühlt sie sich zum Außenseiter Jari, mit dem sie schon bald soetwas wie Freundschaft verbindet.
Dass sie einen besonderen Bezug zu ihren Träumt hat, weiß Nele schon lange. Sie hat jedoch keine Ahnung, was das alles genau bedeutet und ist deshalb mehr als überrascht als sie fährt, wozu sie im Stande ist.
Ihrer natürlich Neugier hat sie es zu verdanken, dass sie immer tiefer in ein Abenteuer der besonderen Art gerät. 

Jahr ist der Außenseiter der Klasse, mit dem außer Nele niemand wirklich etwas zutun haben will. Er ist sehr verschlossen, teilt sich wenig mit, aber ist ein ganz passabler und daher unauffälliger Schüler. Dass seine Mutter trinkt und sein Vater ihn schlägt ist an der Schule ein offenes Geheimnis, über das hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird. Die Zuwendung und Aufmerksamkeit, die er von seiner neuen Mitschülerin Nele entgegengebracht bekommt, verunsichern ihn zunächst, da er es nicht gewohnt ist, so viel Beachtung zu bekommen. Langsam taut er jedoch auf und findet in Nele eine tolle Freundin.

Seht gehört zu den Charakteren, die in der Traumwelt leben. Er ist ein Wächter des Nachtglases, der dafür sorgt, dass träumende Menschen aus ihren Träumen in die Wirklichkeit zurückkehren. Als er Nele begegnet, fühlt er sich sofort zu ihr hingezogen und wünscht sich nur eines: Sie mit in die Unendlichkeit zu nehmen. 
Seth ist ein sehr einnehmender Charakter, der es versteht, sein Gegenüber charmant um den Finger zu wickeln. Leider ist er aber genauso gefährlich wie nett und nicht ganz der, der er zu sein vorgibt. 

Neben diesen drei Hauptcharakteren gibt es noch einige weitere Figuren, die ihre ganz eigenen Rollen haben. Anika Beer hat sich für die meisten Charaktere genug Zeit und Raum genommen, um diesen eine Geschichte zu geben, die die Figuren lebendig werden lassen. Einzig Neles Familie kam mir zu kurz, über die ich gerne mehr erfahren hätte. 
Nicht ganz überzeugt hat mich das Verhalten von Neles Mutter, das mich immer wieder die Stirn runzeln ließ. 

Einen Bruch erhielt die Geschichte für mich an der Stelle, an der die Probleme aus der Traumwelt zu Problemen in der realen Welt werden. Die Darstellung eines Problems, das einem Weltuntergang gleichkommt, nur auf das kleine Erlfeld zu beziehen, schien mir nicht ganz durchdacht und unglaubwürdig. Bis zu diesem Punkt jedoch, hat mir die Geschichte sehr gut gefallen und mich fantastisch unterhalten. 

Was mir besonders gefallen hat:

Mir gefielen beim Lesen vor allem die unterschiedlichen Charaktere und ihre Verhaltensweisen. Ganz besonders interessant fand ich, dass wir hier zwei Protagonisten haben, die wegen ihres Erscheinungsbildes oder ihres Verhaltens eigentlich zu den Außenseitern gehören. Hier hat die Autorin mit so einigen Vorurteilen aufgeräumt, was vor allem jugendliche Leser hoffentlich aus dem Buch mitnehmen. 

Der lockere und flüssige Schreibstil, an den sich auch der Sprachstil hervorragend anpasst, sorgte dafür, dass die Buchseiten dahinflogen. Außerdem denke ich, dass hier genau das richtige Mittelmaß zwischen realer Welt und Traumwelt, sowie Erklärungen und Fragen getroffen wurde, sodass man der Geschichte mit Leichtigkeit folgen kann. 

Die Beschreibungen in diesem Buch sind sehr liebevoll, wodurch vor allem die Traumwelt vor dem inneren Auge real werden konnte. Ich habe mich sehr gerne durch diese Welt bewegt und fand die Ideen hinter dem Nachtglas, den Traumkammern etc. sehr spannend und interessant. Auch die zugehörigen Charaktere haben mir sehr gut gefallen – mindestens einen von ihnen würde ich des nachts gerne mal zu einer Plauderrunde treffen. 

Was mir nicht so gut gefallen hat:

Obwohl sich das Buch sehr gut lesen ließ, fehlte es an einer entscheidenden Sache: an der Spannung. Sie kommt zwar in kleinen Wellen auf, will sich aber einfach nicht zuspitzen. Es gibt keine unerwarteten Wendungen, bleibt doch alles sehr vorhersehbar. So plätschert die Geschichte leider dahin, was ich sehr schade fand, denn für sich genommen hat mir das Buch mit all seinen tollen Ideen wirklich gut gefallen. 

Gestaltung:

Das Cover ist ein wirklicher Hingucker und mit ein Grund, warum ich auf dieses Buch auf der KIBUM 2013 aufmerksam wurde. Die Katze auf dem Ast, der Mond, die Scherben – hier hat jedes Detail seine Berechtigung. 

Wertung:

Die Charaktere und auch die Ideen dieser Geschichte haben mir sehr gut gefallen. Schade, dass es bei der Umsetzung an Spannung fehlte. Ich vergebe deshalb 3,5 Lila-Lesesterne.