Rezension

Momentaufname eines Lebens nach dem zerstörerischen Erdbeben von L'Aquila

Bella mia - Donatella Di Pietrantonio

Bella mia
von Donatella Di Pietrantonio

Bewertet mit 4.5 Sternen

Schreckliche Ereignisse und ihre Folgen kann man viel besser verstehen, wenn das Grauen am Konkreten festgemacht ist, auch wenn es ein Roman ist. Hier sind es drei unterschiedliche Hauptpersonen:

Die alte Mutter, die ihre Tochter verloren hat und jeden Tag frische Blumen auf das Grab legt, die Ich-Erzählerin, ihre Tochter, Töpferin, die ihre Zwillingsschwester Olivia verloren hat und Marco, der untröstliche Sohn von Olivia, mit 16 mitten in der Pubertät, pickelig, bockig, zornig, mit einem schwierigen Verhältnis zum Vater, der als Musiker in Rom lebt und sich wenig um ihn kümmert. Alle drei leben in einer Übergangswohnung, die der Staat schnell hat bauen lassen, in einer Trostlosigkeit, die wenig Hoffnung gibt.

L'Aquila ist ein historischer Ort in den Abruzzen nordwestlich von Rom, über den ein schreckliches Erdbeben hereinbrach: Tod, Verlust, Zerstörung. Als sich die Erzählerin heimlich in die verbotene rote Zone schleicht, um in ihrem Atelier etwas zu holen, bekommen wir einen kleinen Eindruck vom Ausmaß der Katastrophe. Sie wird immer wieder von ihren Erinnerungen eingeholt und fühlt sich schuldig, dass sie überlebt hat und die Schwester nicht.

"Wenn ich sie am wenigsten brauchen kann, fallen die Erinnerungen wie Hyänen über mich her." (eBook 58)

Und doch regen sich in all' dem Elend und der Hoffnungslosigkeit zarte Pflänzchen, die auf eine Normalisierung hindeuten: Marcos Vater nimmt ihn mit auf eine Konzertreise, die jüngere Freundin der Großmutter ist schwanger und es werden Babysachen gestrickt. Und die Ich-Erzählerin verliebt sich in den Professor aus Bologna, der ihr das neue Atelier vermietet hat. Ob daraus etwas wird, ist fraglich, aber die Zeichen der Hoffnung sind unübersehbar. Er fragt sie, ob sie auch mal an sich denkt.

"Er wollte das Problem in den Raum stellen, damit es leise an mir nagt wie ein satter Holzwurm." (eBook 152)

Das Cover finde ich sehr gelungen: eine zerbrochene Uhr … die Zeit. Der Titel entstammt dem Lied 'L'Aquila Bella Mia'.

Wenn man ein offenes Ende ertragen kann (ist das Leben nicht immer so?), dann ist dies ein wunderbar zu lesendes Büchlein mit einem zarten Hoffnungsschimmer, vielleicht mit der Botschaft, dass das Leben immer weiter geht.