Rezension

Monatshighlight

Der letzte Sommer - Helen Simonson

Der letzte Sommer
von Helen Simonson

Bewertet mit 5 Sternen

Zum Inhalt:

Im Sommer 1914 bewirbt sich die alleinstehende Beatrice Nash auf eine Stelle als Lateinlehrerin in der kleinen englischen Stadt Rye. Agatha Kent und deren zwei Neffen Daniel und Hugh nehmen sie alsbald unter ihre Fittiche. Das ist auch dringend nötig, denn die Damen der ansässigen Oberschicht sind etwas pikiert von Miss Nash, die über keinen männlichen Versorger verfügt und auch sonst ziemlich modern und für die damalige Zeit fast emanzipiert daherkommt. Hier bedarf es einer gehörigen Portion Fingerspitzengefühl, um nicht als loses Frauenzimmer dazustehen und das bisschen Freiheit und Selbstständigkeit zu genießen, welches jungen Frauen damals von der englischen Gesellschaft zugestanden wurde. Miss Nash lebt sich einigermaßen ein und schließt erste Freundschaften.

Der Ausbruch des Krieges bringt ungeahnt und langsam, aber unaufhaltsam, große, teils dramatische Veränderungen mit sich. Immer mehr junge Männer ziehen in den Krieg, erste Flüchtlinge werden in der Kleinstadt einquartiert und jeder versucht mehr oder weniger selbstlos zu helfen. Lebensmittel und Kleidung werden knapper und dann sind die ersten Toten zu beklagen. Schließlich stehen auch Hugh und Daniel vor der Entscheidung, ob sie sich freiwillig zum Wehrdienst melden sollen.

Meine Meinung:

Auf den ersten Seiten findet die Autorin noch einen sehr betulichen Ton, um die kleine, oberflächlich heile, ländliche Idylle der englischen Grafschaft zu beschreiben. Gefährlich scheinen nur die scharfen Zungen der Upperclass-Ladies und die strengen Moralvorstellungen der Gesellschaft. Aber spätestens mit der Ankunft der Flüchtlinge ändert sich Stück für Stück das Timbre der Geschichte und nimmt an Spannung und Dramatik zu. Im Zentrum des Geschehens ist nicht nur die liebenswerte kluge Beatrice sondern auch der Medizinstudent Hugh, der heftige Leidenschaft für die Tochter seines Professors empfindet, und der Fillou Daniel, der sich zum Dichter und Denker berufen fühlt. Tante Agatha ihrerseits versucht als Mittlerin alle Fäden in der Hand zu halten und die jungen Leute vor allzu großen Fehlern zu bewahren.

Nach einer kurzen Anlaufzeit wurde ich von der Geschichte immer mehr in ihren Bann gezogen. Die Darsteller werden so glaubwürdig und menschlich beschrieben – mit all ihren Ecken und Kanten – dass ich sie schnell ins Herz geschlossen habe. Ich habe mich von Anfang an gesorgt, wer vor allem von den jungen Männern das Kriegsende noch erleben wird und war dennoch überrascht wie dramatisch und spannend und ergreifend der letzte Abschnitt dann wurde.

Hugh und Daniel wachsen beide über sich hinaus - wie es oft in Kriegszeiten der Fall ist. Denn nur in solchen Zeiten kann man oft die wahre Größe und Kraft eines Menschen messen. Und mit der Tiefe und Größe der Liebe ist es ähnlich. Erst Schmerz und Tod lassen erahnen, wie groß sie war und wie wichtig. Da ist es vorbei mit Zurückhaltung und Unsicherheit.
Ich war teilweise so berührt, dass mir die Tränen in die Augen gestiegen sind. Die Autorin findet Worte und Adjektive und Beschreibungen für das Leid, den Krieg, den Tod und die Liebe, die so schön und wahrhaftig sind, dass mir ganz schwummerig geworden ist. Das letzte Drittel des Buches hat mich echt umgehauen.

Natürlich gibt es einige Zufälle. Aber sei`s drum. Das tut der Spannung und Glaubhaftigkeit der Geschichte keinen Abbruch. Einige Szenen haben sich mir direkt eingebrannt, weil sie so gut beschrieben waren.

Ich gebe ehrlich zu, dass ich anfangs nicht erwartet hatte, dass die Geschichte so eine Fahrt aufnimmt und mich am Ende restlos überzeugt. Ich wünschte mir, man würde das Buch verfilmen.

Mein Fazit:

Von mir eine ganz dicke Leseempfehlung und volle Punktzahl.

Kommentare

Arietta kommentierte am 12. August 2016 um 14:19

Dieses Buch steht auf meiner Wunschliste.

Deine Rezi, hat mich jetzt erst richtig auf den Geschmack gebracht !