Rezension

Mysteriöse Morde in den goldenen Zwanzigern

The Diviners - Aller Anfang ist böse - Libba Bray

The Diviners - Aller Anfang ist böse
von Libba Bray

Bewertet mit 4.5 Sternen

Die siebzehnjährige Evie hat in ihrer spießigen Heimatstadt in Ohio den Bogen endgültig überspannt. Nicht nur, dass sie zum Entsetzen ihrer prohibitionsbefürwortenden Mutter regelmäßig Alkohol konsumiert, nun hat sie auch noch den Sohn einer angesehenen Familie brüskiert, indem sie seine Affäre mit einem Dienstmädchen (die obendrein nicht folgenlos blieb) vor seiner Verlobten offengelegt hat. Was Evies Eltern nicht wissen: Evie hat eine einzigartige Gabe, sie kann die Gegenstände anderer Menschen "lesen", je wertvoller der Gegenstand dem Besitzer, umso intimer die Einblicke, was in diesem Fall dem begehrten Harold Brodie zum Verhängnis wurde.

Evie soll fürs erste die Stadt verlassen, bis ein wenig Gras über den Skandal gewachsen ist. Zu ihrem Entzücken wird sie zu ihrem Onkel Will geschickt - nach New York, in die Stadt, die niemals schläft. Noch ahnt Evie nicht, dass sie dort kaum Zeit für Einkaufsbummel und Flüsterkneipenbesuche finden wird, weil die ganze Stadt im Bann einer grausigen Mordserie steht...

 

Dieses Buch war ein unerwartetes Highlight in meinem Lesemonat, denn es ist ein gelungener Genre-Mix aus historischem Roman und Urban Fantasy, angesiedelt in einer der aufregendsten Epochen des 20. Jahrhunderts.

 

Was den historischen Teil angeht, hat Libba Bray ganze Arbeit geleistet, denn der Roman ist durchdrungen vom Zeitgeist der Roaring Twenties, und auch, was in punkto Mode, Styling, Musik oder Film der letzte Schrei war, wird immer mal wieder eingestreut. So ist Protagonistin Evie Rudolf Valentinos größter Fan, und wie es sich für ein echtes "Flapper"-Girl gehört, trägt sie einen Bob, Glockenhüte, pailettenbesetzte Kleider und gemusterte Strümpfe. Ihre erste neue Freundin in New York ist das Revuegirl Theta Knight, die sich einen Platz im Ensemble der "Ziegfeld Follies" ertanzt hat.

 

Auch der übernatürliche Part lässt keine Wünsche offen, der Bösewicht ist richtig gruslig, die Story dahinter in sich schlüssig und sehr spannend. Da es sich um ein Jugendbuch handelt, werden die grausigen Morde nicht detailbesessen geschildert, sondern es wird immer dann "ausgeblendet", wenn das Opfer endgültig in der Falle sitzt. Trotzdem hatte ich als erwachsene Leserin so einige Gänsehautmomente, beispielweise, wenn die Toten aufgefunden und ihre Verstümmelungen thematisiert werden. Wer gerne richtig ausführliche Gemetzel-Szenen liest, wird die Schilderungen hier wohl ein wenig lahm finden, wer es nicht ganz so blutig mag, ist dagegen bestens bedient.

 

Für mich in jedem Buch ein sehr wichtiger Punkt: Die Figuren. Ich mag es nicht, wenn Personen in einem Roman wie austauschbare Scherenschnitte wirken, die man kaum auseinanderhalten kann. Hier ist es zum Glück ganz anders, die Figuren sind sehr liebevoll entworfen, haben ihre Ecken und Kanten, und da die Perspektiven oft wechseln, lernt man einige von ihnen ganz gut kennen. Vor allem Evie und Theta haben mein Leserherz im Sturm erobert, aber es gibt auch noch einige andere, die man unbedingt begleiten sollte.

 

"The Diviners - Aller Anfang ist böse" hat mich vom ersten Satz an gefesselt und in eine meiner Lieblingsepochen entführt. Zum Glück muss ich mich auch noch nicht von Evie und den Goldenen Zwanzigern verabschieden, denn es gibt noch einen zweiten Teil mit dem Titel "The Diviners - Die dunklen Schatten der Träume". Ein dritter Band ("Before the Devil breaks you") wird Anfang Oktober in den USA erscheinen, und hoffentlich auch bald in deutscher Übersetzung verfügbar sein.