Rezension

Nach dem schwierigen Einstieg eine wahre Überraschung!

Illusion - Das Zeichen der Nacht - Ana Alonso, Javier Pelegrin

Illusion - Das Zeichen der Nacht
von Ana Alonso Javier Pelegrin

*Worum geht's?*
Sechs Wochen sind vergangen, seit Erik in der heiligen Höhle gestorben ist und Alex die Magie freigesetzt hat. In dieser kurzen Zeit haben Alex und Jana endlich ihre Liebe gelebt wie zwei normale Jugendliche, nicht wie Medu und Wächter, die nicht zusammen sein dürften. Doch obwohl sie sich näher waren als je zuvor, hat sich ein eine enorme Kluft zwischen ihnen gebildet. Während Alex sich darüber freut, dass die Magie nun endlich für alle Menschen zugänglich ist, spürt Jana, wie ihr Volk unter der Veränderung leidet, und würde es am liebsten rückgängig machen. Genau in diesem schwachen Moment erfährt Jana von dem Buch der Schöpfung, das ihr ihren Wunsch erfüllen kann. Verantwortungsbewusstsein und Ehrgeiz oder Liebe und Leidenschaft? Jana muss sich entscheiden, denn es muss ein Opfer gebracht werden...

*Kaufgrund:*
Nach "Vision. Das Zeichen der Liebenden" wollte ich unbedingt wissen, wie es weitergeht. Der erste Band hat mich mit gemischten Gefühlen und jeder Menge Fragen zurückgelassen und ich war gespannt darauf, ob ich endlich meine Antworten bekommen würde.

*Meine Meinung:*
"Zu viele Fragen ohne Antworten", denkt sich Jana an einer Stelle des Romans und dem kann ich nur bedingungslos zustimmen. Noch nie ist mir eine Buchreihe untergekommen, die mich ahnungsloser und unwissender durch ihre Geschichte irren ließ - und das mit voller Absicht. Wer sich in "Illusion. Das Zeichen der Nacht" Antworten auf die Fragen des Vorgängerbandes erhofft hat, wird erst einmal enttäuscht sein, denn davon finden sich hier sehr wenige. Das Buch beginnt mit einem völlig neuen Handlungsstrang und lässt die alten hinter sich. Zwischendurch werden einige Fragen, Rätsel und Ungereimtheiten des ersten Bandes wieder aufgeworfen, um sie in Verbindung mit den neuen Geheimnissen zu setzen, aber von Lösungen ist weit und breit keine Spur.

Dementsprechend schwer fiel es mir, mich in "Illusion. Das Zeichen der Nacht" hineinzufinden. Wer die verworrene, komplizierte Geschichte des ersten Buches nicht mehr im Kopf hat, wird ebenso wie ich vor großen Startschwierigkeiten stehen. Wer war nochmal wer? In welcher Beziehung stehen die vielen verschiedenen Charaktere zueinander? Was genau ist in "Vision. Das Zeichen der Liebenden" vorgefallen? Und vor allem: Was ist im ersten Band geschehen, das nun wichtig für den Folgeband sein könnte? Dies zwischen all den verflochtenen Handlungssträngen herauszufiltern - und das nach einer mehrmonatigen Lesepause zwischen den zwei Bänden -, ist gar unmöglich. Leider sparen sich Alonso und Pelegrín eine Wiederholungs- oder Einfindungsphase. Sie werfen ihre Leser buchstäblich ins kalte Wasser und haben weder eine knappe Zusammenfassung noch eine erläuternde Rückblende parat, um einen leichten Einstieg in den zweiten Teil ihrer Trilogie zu ermöglichen.

Gänzlich allein gelassen wird man im "Illusions-Labyrinth" allerdings nicht. Es gibt einen kleinen Rettungsanker, der zwar nicht die Geschichte, aber die Erinnerungen an die Figurenkonstellationen auffrischen kann: das Glossar am Ende des Buches! Hier finden sich kurze Charakterbeschreibungen zu den wichtigsten Personen, inklusive Klanzugehörigkeit und besonderer Fähigkeit. Spoilergefahr besteht im Gegensatz zum Glossar in "Vision. Das Zeichen der Liebenden" nicht, da nur die bekannten Figuren aufgelistet worden sind. Hat man also verständlicherweise zu einem bestimmten Namen kein Gesicht vor Augen, kann man guten Gewissens im Personenregister nachschlagen.

Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, einen Überblick über die Geschichte bekommen zu können, da überraschte mich das Autorenduo während der zweiten Hälfte mit etwas Unglaublichem: Antworten! Ja, tatsächlich haben sich die beiden doch noch dazu entschlossen, Licht ins Dunkel zu bringen. Zunächst ist es nur ein kleines Lämpchen, dass die verschlungene Geschichte erhellt, aber dann wird aus ihm ein loderndes Feuer der Erleuchtung. Das gesamte Geheimnis über das mysteriöse Buch der Schöpfung wird mehr und mehr geklärt und macht aus "Illusion. Das Zeichen der Nacht" nach dem schwierigen Einstieg doch noch zu einem spannenden Leseabenteuer. Ich war so gebannt von der aufregenden Handlung, den düsteren Elementen und den facettenreichen Figuren, dass ich gar nicht mehr mit dem Lesen aufhören wollte.

Jana konnte mich bereits im ersten Band als Protagonistin überzeugen und bleibt auch dieses Mal mein Highlight der Reihe. Sie ist eine selbstbewusste, ehrgeizige junge Frau, die ihre Rolle als Medu-Prinzessin ausgesprochen ernst nimmt. Das Wohlbefinden ihres Volkes ist ihr wichtiger als ihr eigenes und sie scheint sogar in Kauf zu nehmen, ihre Liebe zu Alex zu opfern, um den Medu die Magie zurückzubringen. Jana ist eine sehr starke Figur, die sich vor allem durch ihre mutige und selbstlose Art interessant macht. Doch wie so oft gilt auch für Jana: harte Schale, weicher Kern! In "Illusion. Das Zeichen der Nacht" zeigt Jana, dass sie nicht selten unter ihren Entscheidungen leidet. Sie schwächelt, verzweifelt, weiß nicht weiter und lässt sich immer mehr von ihren Gefühlen statt von ihrem Verstand leiten. Sie muss lernen, dass es kein einschlägiges Gut und Böse gibt und dass sie mit ihrem Schwarz-Weiß-Denken nicht immer weiterkommt. Diese neue Seite von Jana hat sie noch authentischer gemacht!

Alex, der wieder den männlichen Protagonistenpart übernimmt, ist erwachsener geworden. Er trifft keine naiven Entscheidungen mehr, schmiedet ausgeklügelte Pläne und kann mit einigen mutigen Überraschungen punkten, die man dem leichtgläubigen und manipulierbaren Alex aus dem ersten Band niemals zugetraut hätte. Es scheint, als hätten ihn die Ereignisse in der heiligen Höhle zu einem anderen Menschen gemacht. Trotz seiner bemerkenswerten Entwicklung wirkt er neben Jana noch immer wie ein unbeholfener, ungelenker Junge, der auf die Unterstützung seiner Freundin angewiesen ist.

Die Beziehung der beiden muss in "Illusion. Das Zeichen der Nacht" eine schwierige Zeit überstehen. Sie verfolgen verschiedene Ziele, die sie eigentlich gegenseitig aufhetzen müssten, und müssen einander ausspielen. Auch wenn sie versuchen, so weit wie möglich zusammenzuarbeiten, so wissen sie doch beide, dass einer von ihnen durch den anderen verlieren wird. Behutsam und gefühlvoll beschreibt das Autorenduo die Emotionen der beiden Protagonisten, die einem selbst als Leser das Herz zu zerreißen drohen. Für was werden sich Jana und Alex entscheiden? Für das, was sie für richtig halten, oder ihre Liebe?

*Cover:*
Das Cover des zweiten Teils ist ein noch größerer Hingucker als das des Ersten! Diesmal ist eine Schlange statt eines Drachen darauf zu sehen und die Farben wurden der düsteren Stimmung angepasst. Trotz des Mädchens bin ich ein absoluter Fan von diesem tollen Coverbild. Ich könnte es den ganzen Tag anstarren!

*Fazit:*
"Illusion. Das Zeichen der Nacht" hat mich zunächst bitter enttäuscht: Der Einstieg war unfassbar zäh, es gab nicht einmal eine Wiederholungsphase und die vielen offenen Fragen wurden einfach beiseitegeschoben. Ich hatte schon nicht mehr damit gerechnet, die verworrene Geschichte jemals vollkommen verstehen zu können, da überraschte mich das Autorenduo mit einer überraschenden Wendung: sie lieferten Antworten, zogen das Erzähltempo rasant an, erschufen einen riesigen Spannungsbogen und machten den zweiten Band der Trilogie zu einem aufregenden Leseabenteuer. Ja, dieser Teil ist definitiv viel besser als "Vision. Das Zeichen der Liebenden"! Ich vergebe insgesamt 4 Sterne.