Rezension

Nach einer wahren Begebenheit...

Der große Trip - WILD
von Cheryl Strayed

Bewertet mit 5 Sternen

INHALT:

„Die Frau mit dem Loch im Herzen, das war ich.“

Gerade 26 geworden, hat Cheryl Strayed das Gefühl, alles verloren zu haben. Und so trifft sie die folgenreichste Entscheidung ihres Lebens: die mehr als tausend Meilen des Pacific Crest Trail zu wandern, durch die Wüsten Kaliforniens, über die eisigen Höhen der Sierra Nevada, durch die Wälder Oregons bis zur „Brücke der Götter“ im Bundesstaat Washington – allein, ohne Erfahrungen und mit einem Rucksack auf dem Rücken, den sie „Monster“ nennt. Diese Reise führt Cheryl Strayed bis an ihre Grenzen und darüber hinaus.

 

EIGENE MEINUNG:

Zuerst der Hinweis, dass ich normal eine Inhaltsangabe in eigenen Worten schreibe. Hier fand ich das jedoch nicht richtig, da es sich um die Erzählung eines Menschen zu einem Teil seiner eigenen Geschichte handelt. Die Erlebnisse von Cheryl, die hier beschrieben werden, fanden 1995 statt. Insgesamt wanderte sie auf ca. drei Monate 1600 Kilometer, verlor dabei 6 Zehennägel ;) und hielt dies in Tagebucheinträgen fest auf denen dieses Buch beruht.

Ich habe dieses wunderschöne Buch in der Filmausgabe mit Reese Witherspoon auf dem Cover. Allerdings gefällt mir auch die Ausgabe mit dem Wanderschuh auf dem Cover, der auch in der Geschichte selbst eine große Rolle spielt! Nach dem Beenden dieser Geschichte habe ich viel im Internet über Cheryl gegoogelt und auch „echte“ Fotografien von ihr gefunden. Ich muss sagen sie sieht Reese wirklich erstaunlich ähnlich, erscheint mir nur noch viel jünger als im Buch beschrieben. Vor allem zu Beginn geht es im Buch auch darum, dass Cheryl Drogen nahm und sich vollkommen gehen ließ, auch was Affären betraf. Überhaupt hat sie für mich eine etwas zu lockere Einstellung zu Sex. Da war sie mir absolut unsympathisch und das Lesen ist mir zum Teil nicht wirklich leicht gefallen. Als ich dann die Bilder von diesem jungen Mädchen/der jungen Frau sah hat mich richtiggehend eine Welle an Mitgefühl gepackt. Das hat mir im Buch zu Beginn gefehlt, weil mir die Person dort eher zielstrebig selbstzerstörerisch vorkam und vor allem in ihrer Ehe wenig Rücksicht genommen hat, obwohl ihr Mann kein schlechter Mensch war. Natürlich hat der Tod ihrer Mutter – und der wird im Buch für mich einfach nur heftig und mit Sicherheit realistisch dargestellt – zu diesem Verhalten geführt, aber krass zu lesen war es trotzdem. Ich denke am besten trifft es „schonungslos offen“, denn es wird absolut nichts beschönigt dargestellt oder weggelassen… Als Leser wurde ich irgendwie mit nach unten gezogen und dann musste es irgendwann bergauf gehen. Auch hat mich überrascht, dass Cheryl (auf einem neueren Foto, also als ältere Frau) immer noch das im Buch beschriebene Pferdetattoo trägt…

Zu Beginn erfahren wir eben wie es dazu gekommen ist, dass eine junge Frau OHNE jede Wandererfahrung beschließt den Pacific Crest Trail (PCT) zu gehen. Mich hat die Vorstellung von diesem Wanderweg fasziniert und das Buch hat dies eher noch verstärkt. Die Landschaftsbeschreibungen sind wunderschön und ich hätte mir immer wieder Fotografien im Buch gewünscht. So habe ich viele Stationen von Cheryl gegoogelt und mit ihr gestaunt. Ich bin auch absolut kein großer Wanderfan, aber hier hätte ich mir am liebsten die Stiefel geschnürt und wäre mitgelaufen! Doch auch jetzt erinnere ich mich noch, wie sehr andere Wanderer auf jedes Gramm Gewicht geachtet haben (teilweise wurden nur Teile von Büchern eingepackt) und das war einfach nur unglaublich, wie so viele andere Strapazen die beschrieben wurden. Überhaupt muss ich sagen, dass mir sehr viele Szenen aus dem Buch noch deutlich vor Augen stehen, auch wenn das Lesen schon eine ganze Weile her ist!

Einen Teil des Reizes der Geschichte hat auf jeden Fall auch der Wechsel von unterschiedlichsten Bekanntschaften (Hippies, Obdachlose, Abenteurer, Gleichgesinnte und fast keiner übernimmt eine größere Rolle als einen kurzen Weg mit ihr zu teilen) auf dem Weg mit totaler Einsamkeit ausgemacht. Die körperlichen Schmerzen und Strapazen die beschrieben wurden waren jedoch nichts im Vergleich zu den innerlichen von Cheryl. Mich hat das Ganze einfach unheimlich berührt. Manchmal hätte ich ihr gerne geholfen, dann hätte ich ihre bei ihren Erzählungen am liebsten eine auf den Deckel gegeben und bei manchem hätte ich mir gerne die Ohren bzw. Augen zugehalten, so heftig waren ihre Erlebnisse (ich sage nur „Pferd“…). Es war traurig, amüsant, inspirierend, authentisch und vieles mehr.

Es wechseln sich Erzählungen aus der Vergangenheit und der damaligen Gegenwart ab und dies kommt teils völlig unerwartet beim Rhythmus des Gehens oder zur Ruhe Kommens. Manchmal geht es um Selbsterkenntnis, manchmal um Selbstmitleid, Einsamkeit und die eigenen Befindlichkeiten. Vielfach sind es Schilderungen von Begegnungen auf und abseits des Trails, Hunger und Durst, weil Entfernungen und Hindernisse falsch eingeschätzt wurden und immer wieder um Angst und den nicht verarbeiteten Tod ihrer Mutter. Dazu sagen muss man vielleicht auch, dass Cheryl nicht den ganzen PCT gewandert ist und witterungsbedingt auch bestimmte Strecken auslassen musste.

Zum Schluss habe ich mir natürlich ein Happy End gewünscht und vielleicht auch bekommen… Was ein Zufall – das Entdecken eines Wanderführers – auslösen kann! Dies hier ist alles andere als eine „einfache“ Reisebeschreibung und auch kein Ende-gut-Alles-gut-Roman! Keine Besserwisserei, keine Heldin, kein reiner Abenteuerroman, nichts Verklärtes.

Als Hilfestellung zum Nachverfolgen von Cheryls Weg gibt es vorne im Buch den Verlauf des PCTs als Karte. Hinten findet sich eine Liste der Bücher die Cheryl auf ihrem Wanderweg begleitet haben. Jedes Kapitel wird von einem Zitat angeführt.

Die Verfilmung von Cheryls Geschichte habe ich bisher noch nicht gesehen…irgendwie traue ich mich nicht so recht daran, aber vielleicht kommt das ja noch. Dieses Buch hat mich auf jeden Fall auf so viele Weisen fasziniert, getroffen und begeistert wie ich es nie für möglich gehalten hätte!

 

FAZIT:

Eine berührende, bewegende, teilweise richtig heftige und tiefgehende Geschichte über einen Schicksalsschlag, einen Lebensabschnitt und das Wandern auf dem PCT. Schonungslos offen und doch will man selbst seine Stiefel schnüren… Ich konnte es einfach nicht weg legen!