Rezension

Diese Rezension enthält Spoiler. Klicken, um alle Spoiler auf dieser Seite lesbar zu schalten.

Nachwirkend

Die Frau, die allen davonrannte
von Carrie Snyder

Bewertet mit 5 Sternen

~~Carrie Snyder
Die Frau, die allem davonrannte

Klappentext:

Dass Aganetha Smart einst eine kühne Pionierin war, ist in dem Altenheim, in dem sie sitzt, niemandem bewusst.
Als zwei junge Leute auftauchen, um sie einen Film über weibliche Athleten zu interviewen, sagt sie bereitwillig zu. Trotz ihrer Gebrechlichkeit sehnt sie sich nach Abenteuer. Und auch wenn ihre Erfolge weitestgehend in Vergessenheit gerieten, erinnert sie selbst sich noch sehr genau daran. Als junge Läuferin trotzte Aganetha jeder Erwartung und gewann 1928 für Kanada eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen. Es war ein revolutionärer Sieg, Frauen durften in dieser Kategorie zum ersten Mal teilnehmen. Als junges Mädchen wollte sie ihrer Familie davonrennen, sich von deren Kummer und Geheimnissen befreien. Doch so sehr Aganetha sich bemühte, vor ihrer Vergangenheit konnte sie nicht davonlaufen – ebenso wenig wie vor den Konventionen der Zeit. Durch die beiden jungen Besucher wird Aganetha wieder mit den Erinnerungen an ihr Leben konfrontiert, auch mit einer Lüge, die bis zum heutigen Tag Bestand hat. Und ihr wird mehr und mehr klar, dass die beiden nicht die sind, für die sie sich ausgeben...

Meine Meinung/Rezension

Zunächst muss ich sagen, dass dieser Klappentext in keinster Weise mit dem Inhalt des Buches mithalten kann, geschweige denn, seinen Inhalt in der Tiefe auch nur ansatzweise wiedergibt.
Das Buch ist 343 Seiten lang und beinhaltet eine wahnsinnige Komplexität, die man nur sehr konzentriert verfolgen kann.
Im Grunde umfasst dieses Buch zwei Bücher. Zum Einen die Gegenwart, mit den Charakteren Aganetha (Aggie), den Besuchern im Altenheim Max und Kaley, sowie Ihrer Mutter Nancy.
Zum Anderen Aganethas Vergangenheit, mit all ihren Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten.
Das Buch erzählt mehr aus der Vergangenheit, als das es in der Gegenwart spielt.

Aganathas Vergangenheit ist in die Gegenwart eingebettet, da Sie immer wieder in ihre Vergangenheit abdriftet, ohne diese mit Max, Kaley und Nancy zu teilen. Im Grunde sagt sie zu den Dreien sehr wenig.
Aganetha wird von Kaley und Max mehr oder weniger aus dem Altenheim entführt. Die mittlerweile 104-jährige Aganetha kann sich kaum mehr wehren und die Pflegerin lässt die Beiden gewähren. Die Geschwister Kaley und Max wollen ein Interview über Aganethas Leben führen und Max filmt die ganze Geschichte von Beginn an. Kaley und Max fahren mit Aganetha zu ihrem Geburtshaus, bringen Sie danach zu ihrer Mutter Nancy, die unweit Aganethas Geburtshauses wohnt und letztlich wieder auf das Grundstück Aganethas zurück, zum von ihrem Vater erschaffenen Leuchtturm, wo die Fahrt enden wird.
Aber langsam.
Dazwischen wird noch vieles aus der Vergangenheit berichtet.
Aganetha ist Teil einer Großfamilie mit Geschwistern und Halbgeschwistern.
Vier Ihrer acht Halbgeschwister sind bereits zum Zeitpunkt Ihrer Geburt 1908, verstorben auf die unterschiedlichsten Weisen: bei der Geburt verstorben und ertrunken. Die erste Frau, die Mutter der Halbgeschwister, namens Tilda verstarb ebenfalls. Ihr Vater, Robert Smart, ehelicht ihre Mutter Jessica, welche Ihm noch einmal drei weitere Töchter schenkt.
Sie wohnen auf Farmgelände, welches schon Generationen der Familie Smart gehörte, bestellend die Äcker und leben sehr gut davon.
Aganetha hat ein sehr inniges Verhältnis zu ihrer 13 Jahre älteren Halbschwester Fannie, welche früh an der Grippe verstirbt. Da ist Aganetha erst 10.
Aganetha merkt schnell, dass sie gerne rennt und tut dies immer und immer wieder.
Ihre Mutter nennt sie „ruhelos“. Das beschreibt es tatsächlich am Besten.
Eines Tages, kurz nach dem Tod von Fannie, sieht Aganetha sie immer wieder erscheinen, was sie bis an ihr eigenes Lebensende immer wieder tut. Alle ihre verbliebenen Geschwister und Halbgeschwister zieht es nach und nach in die Städte. Lediglich Edith bleibt im zum Elternhaus nahe gelegenen Farmhaus mit Ihrem Mann Carson wohnen. Edith, immer kränklich,verliert ein Kind , woran sie zu zerbrechen droht, nicht fähig Haus und Hof zu führen.
Letztlich fährt auch Aganetha in die „große“ Stadt Toronto, besucht ihre Geschwister. Doch es kommt wie es kommen muss und sie bleibt.
Sie fängt in der Fabrik an zu arbeiten, in der auch bereits ihre Schwester arbeitet und schließt sich einem einer anderen Fabrik zugehörigen Sportverein an, dem Rosebud-Damensportclub. Der dortige Trainer Mr.Tristan nimmt Sie in die Mannschaft auf, in der Sie ihre zukünftige beste Freundin, Glad kennen lernt.
Aganetha und Ihre Schwester Cora wechseln die Fabrik und arbeiten zukünftig für die Rosebud-Pralinenfabrik.
Aganetha wird so gut, dass sie in die kanadische Olmypia-Mannschaft aufgenommen wird und die Goldmedaille im 800m-Lauf gewinnt.
Frauen dürfen 1928 zum Ersten und zum zunächst letzten Mal beim 800m-Lauf antreten.
Nach ihrem Sieg bei Olympia trifft Aganetha auf der Heimreise auf den Hürdenläufer Johnny. Schnell werden die Beiden ein Paar.
Nach der Rückkehr nach Toronto warten einige Jobs auf Aganetha, manche zu dieser Zeit sehr verpöhnte Jobs, wie posieren in Badeanzug für eine Zeitung.
Johnny drängt Aganetha mehr und mehr auch zu einer körperlichen Beziehung, welche sie sich nach einiger Zeit hingibt. Daraus resultierend wird Aganetha schwanger. Zunächst stellt sie sich krank, aus Angst, wie sie es Johnny sagen soll. Zur damaligen Zeit waren außereheliche sexuelle Aktivitäten mehr als obszön, geschweige denn außereheliche Kinder zu gebären. Dies war Aganetha mehr als genau bewusst, da ihre Mutter „solche“ Mädchen bei sich zu Hause aufnahm, um im bei Ihnen so genannten Granny-Zimmer, Fehlgeburten einzuleiten.
Sie beichtet Johnny ihre Schwangerschaft und dieser fertigt Aganetha mehr oder weniger ab, deutlichst, dass er das Kind nicht will, auch wenn er es nicht direkt so ausspricht. Er lässt Aganetha zu Ihrer Mutter ziehen, in dem Wissen, was dort geschehen wird.
Aganetha begibt sich in die Hände ihrer Mutter und kommt etwa 6 Monate später wieder nach Toronto zurück. Am Bahnsteig wird Sie von Johnny und Glad empfangen. Schnell ist ihr klar, dass zwischen Johnny und Glad in der Zwischenzeit mehr als Freundschaft entstanden ist.
Glad entschuldigt sich dafür zwar, die Hochzeit folgt jedoch schnell.
Aganetha nimmt einen Job bei einer Zeitung an und schreibt zunächst über Mordfälle,danach über Nachrufe.
Nach und nach sterben alle ihre weiteren Verwandten: Ihre Mutter, ihr Vater, ihr Halbbruder George.
Nur Edith stirbt als letzte Halbschwester. Verwunderlich, wo diese als sehr kränklich beschrieben wurde.
Aganethas Schwester zieht es von Toronto nach Australien, wo sie ihren Mann kennenlernt, heiratet und mit Ihm Kinder zeugt.
Übrig bleibt ihr nur noch Ihre Schwester Cora, die irgendwann in das elterliche Haus zurück gekehrt war und sich um kranke Kinder kümmert.
Nachdem ihrer beider Vater verstirbt, zieht auch Aganetha wieder zu ihrer Schwester Cora. Einige Jahre verbringen sie noch gemeinsam in dem Haus, bis dieses abbrennt, als Aganetha 95-jährig „eine Runde laufen“ geht. Bei dem Brand verstirbt auch ihre Schwester Cora und Aganetha ist allein.
Wie Aganetha letztlich in das Altenheim kommt, ist, wie eingangs geschrieben, nicht näher erläutert.

Auf Ihrer letzten Reise mit Max, Kaley und Nancy wird all dies (und noch vieles mehr) aus Aganethas Vergangenheit preis gegeben und zu allerletzt erfährt der Leser, dass Aganethas Schwangerschaft nicht abgebrochen wurde, sondern sie dieses Kind, ein Mädchen gebar, es ihrer Schwester Edith gegeben wurde und es sich dabei um die Mutter von Nany handelt. Aganetha versprach während Ihrer Schwangerschaft dieses Geheimnis nie preis zu geben und sich dem Mädchen nie zu nähern, woran sie sich bis zuletzt hält.
Im Schlussteil wird klar, warum Aganetha interviewt und gefilmt wird: Kaley ist ebenfalls eine begnadete Läuferin, deren Karriere aber nur mit Geld voran getrieben werden würde. Geld welches sie und ihre Familie nicht hat. Nur ein Verkauf ihres Grundstückes könnte dies ändern. Einen Investor gibt es bereits, welcher aber nur kaufen würde, wenn er auch Aganethas Grundstück erwerben könnte.
Sie schenkt den Dreien ihr Grundstück.
Aganetha erscheint  auf ihrem letzten Halt mit Max, Kaley und Nancy, ihre bereits vor langer langer Zeit verstorbene Schwester Fannie wieder und beginnt zu ihr zu rennen....ihr letzter Lauf.

Wie bereits beschrieben, wird das Buch sowohl in der Gegenwart, als auch der Vergangenheit erzählt. Schön wäre es gewesen, wenn die Teile der Vergangenheit gekennzeichnet gewesen wären. Im Laufe des Buches liest man sich in diese Zeitsprünge in die Vergangenheit ein, jedoch zu Beginn des Buches ist dies sehr verwirrend. Erschwerend kommt hinzu, dass Aganatha nicht chronologisch in ihre Vergangenheit driftet, schwer nachzuvollziehen, in welcher Zeit Aganetha sich letztlich befindet, jedoch sehr menschlich, denn kein Mensch wird seine Vergangenheit chronologisch noch einmal durchgehen, wenn dieser Mensch alt und gebrechlich ist.
Dieses Buch wird mich noch einige Zeit beschäftigen, da auch ich denke, dass es im Leben meiner Großmutter einige Geheimnisse gab, die ich aber nie erfahren werde, da meine Großmutter bereits verstarb.
Ich denke nicht, dass es Geheimnisse gab, ich weiß es. Zu viel ist in der Zeit vor, während und nach des 2.Weltkrieges passiert. Inklusiv dem Wissen von Halbgeschwistern meiner Mutter, über die aber nie wieder auch nur ein Wort verloren wurde.
Schade aber Realität.
Vielleicht löse ich diese Rätsel irgendwann einmal, aber jetzt bleiben sie noch im Verborgenen.
Schade finde ich , dass ich nicht erfahren konnte, ob Kaley tatsächlich in die Fußstapfen von Aganetha treten konnte.

Ich vergebe 5 von 5 möglichen Punkten.