Rezension

Nicht Jojo Moyes' stärkstes Werk

Ein Bild von dir
von Jojo Moyes

Bewertet mit 3 Sternen

Ich habe mich sehr auf die neuen Bücher von Jojo Moyes gefreut – nicht umsonst habe ich sie ganz aufgeregt vorbestellt – doch leider hat mich Ein Bild von dir nach der ansprechenden Vorgeschichte Die Tage in Paris sehr enttäuscht. Bisher fand ich alle Bücher von Jojo Moyes fantastisch, daher ist es besonders schade, dass mir gerade Ein Bild von dir so gar nicht gefallen hat.

Einige Worte zum Inhalt

Die Geschichte schildert das Leben zweier Frauen: Auf der einen Seite Sophie, die während des Ersten Weltkriegs die Besatzung ihres Städtchens durch deutsche Soldaten miterleben muss und in der Ungewissheit lebt, ob sie Édouard Lefèvre, ihren Mann, der für Frankreich kämpft, jemals wiedersehen wird. Auf der anderen Seite, hundert Jahre später, Liv, die vor vier Jahren ihren Mann verloren hat. Verbunden sind die beiden Frauen lediglich durch ein Gemälde, das Édouard einst von Sophie malte und das Liv, die es von ihrem verstorbenen Mann geschenkt bekam, nun streitig gemacht werden soll.

Meine Meinung

Zu Beginn, um genau zu sein die ersten zehn Kapitel lang, hat das Buch mir noch sehr gut gefallen. Man taucht in Sophies Welt ein. Ohne Frage ist es eine grausame, triste Welt. Ich fand die Schilderungen sehr authentisch, die Charaktere interessant. Die Besatzung des Städtchens St. Péronne und die damit einhergehende Konfrontation zwischen französischen Bürgern und deutschen Soldaten, die Leiden der Bevölkerung und die komplizierten zwischenmenschlichen Beziehungen werden sehr gut beleuchtet. Ich muss Moyes wirklich zugutehalten, dass sie ihr Thema hervorragend recherchiert hat. Tja, und dann taucht man in Livs Welt ein – und irgendwie ist der Zauber weg.

Um es kurz zu machen: Liv ist nervig. Furchtbar nervig. Natürlich ist der Verlust des Partners, den man über alles liebt, eine furchtbare Sache, dem möchte ich gar nicht widersprechen. Doch ich bin der Meinung, dass man nach vier Jahren durchaus wieder imstande sein sollte, ein halbwegs normales Leben zu führen. So aber nicht Liv – die Gute ist noch immer in Trauer, hat keine Freunde, enorme Schulden und vegetiert ohne wirkliche Beschäftigung in ihrem Glashaus vor sich hin (was doch wohl eher auf eine ernsthafte Depression hinweist, die therapiert werden sollte). Und was ich am allerschlimmsten fand, ist, dass sie den Begriff melodramatisch auf eine ganz neue Ebene hebt. Wie kann man bloß so unreflektiert sein? Liv verstrickt sich immer weiter in ihr eigenes Unglück und eigentlich möchte sie auch gar nicht glücklich sein. Ich hatte oft das Gefühl, dass sie ihr Unglück in Wahrheit genießt, da sie so einen Grund hat, Tag für Tag irgendeine theatralische Show abziehen zu können.

Dann begegnet sie Paul in einer Bar. Und blöderweise stellt sich erst, als die beiden schon eine Nacht miteinander verbracht haben, heraus, dass Paul für das Unternehmen arbeitet, das von der Familie Lefèvre beauftragt wurde, um das angeblich im Krieg gestohlene Gemälde ihres Ahnen ausfindig zu machen und es ihnen zurückzubringen. Dass Liv nicht begeistert davon ist, kann ich verstehen, doch ich finde das ganze Trara, das sie abzieht, völlig übertrieben. Sie unterstellt Paul böse Absichten, zickt konstant rum und ist unempfänglich für jegliche Rationalität. Stattdessen bricht sie lieber einen unglaublich teuren Gerichtsprozess vom Ast (obwohl sie schon längst kein Geld mehr hat). Einfach nur aus Trotz. Oh man.

Ihr merkt, dass ich Liv unausstehlich finde. Paul tat mir meist einfach nur leid und ich habe mich gefragt, wieso er überhaupt noch an Liv interessiert ist. Leider blieb der Gute ansonsten sehr blass – außer zu Beginn in der Bar und später während seiner Arbeit begegnet man ihm nicht. Man erlebt ihn nicht wirklich in seinem Alltag, lernt seinen Charakter nicht richtig kennen. Das fand ich sehr schade, da Paul durchaus Potential gehabt hätte. Wäre er besser ausgearbeitet gewesen, hätte er Liv vielleicht etwas ausgleichen können. Dann hätte ich das Buch möglicherweise nicht alle fünf Minuten frustriert in die Ecke werfen wollen.

Dann gibt es da noch Mo, die zusammen mit Liv zur Uni gegangen ist und nach einer Weile bei ihr einzieht. Auch sie fand ich eher weniger gut ausgearbeitet, obwohl sie ein recht exzentrischer Charakter ist. Mir kam sie vor wie ein Platzhalter, der zufällig auftaucht und eigentlich nur dazu dient, Liv von bestimmten Ansichten zu überzeugen.

Die Handlung war vor allem zum Ende hin sehr ermüdend, aber auch die Kapitel aus Livs Perspektive waren durch das ganze Buch hinweg größtenteils langatmig und unbefriedigend (ich musste gerade lange nach einem Synonym für frustrierend suchen). Die letzten fünfzig Seiten habe ich kaum noch ertragen und war sehr erleichtert, als ich endlich durch war. Am liebsten hätte ich Liv zum Schluss noch eine saftige Ohrfeige gegeben, weil ich sie so unausstehlich fand.

“Geh raus auf die Terrasse, starr zehn Minuten in den Himmel und erinnere dich daran, dass unsere Existenz bedeutungslos und flüchtig ist und unser Planet vermutlich von einem Schwarzen Loch geschluckt wird, sodass all das hier ohnehin überhaupt keine Rolle mehr spielt.” – S. 343

Am Schreibstil gibt es nichts zu meckern – Moyes schreibt einfach wunderbar und ich habe die Sophie-Kapitel sehr genossen. Das war’s dann aber auch schon.

Die Vorgeschichte Die Tage in Paris habe ich direkt vor Ein Bild von dir gelesen. Da sie so kurz ist und im Grunde nicht viel geschieht, werde ich sie nun nicht einzeln rezensieren. Ich fand sie jedoch sehr schön und sie hat mir definitiv große Lust auf das Buch gemacht. Herzallerliebst fand ich vor allem die Zeichnungen, ich hätte sie stundenlang anstarren können, da sie so wunderschön harmonisch sind.

Fazit

Für mich war Ein Bild von dir bisher leider das mit Abstand schwächste Buch von Moyes. Die Geschichte um Sophie und das Städtchen St. Péronne hat mir sehr gut gefallen und mich wirklich gefangen genommen. Livs Geschichte hingegen war ein Reinfall und sie selbst ein unglaublich frustrierender Charakter, den ich nicht nachvollziehen und für den ich keine Sympathie aufbauen konnte. Auch die Charaktere um Liv waren in meinen Augen enttäuschend schlecht ausgearbeitet. Ich kann daher leider keine Leseempfehlung aussprechen.