Rezension

Nicht mein Fall

Guten Morgen, Revolution - du bist zu früh! - Kirsten Ellerbrake

Guten Morgen, Revolution - du bist zu früh!
von Kirsten Ellerbrake

Nora Bergenhaus´ Alltag ist nicht sonderlich spannend: Sie passt von Zuhause aus Drehbücher an die Vorstellungen von Programmchefs diverser Fernsehsender an, hat nur wenige Freunde und mit den Männern will es auch nicht so wirklich klappen. Lediglich ihre Tochter Charlie aus ihrer ersten und einzigen Ehe mischt Noras Leben auf, angefangen bei einem Anruf mitten in der Nacht. Denn Charlie muss sich wegen Landfriedensbruch während einer Blockade des Castortransports nach Gorleben vor Gericht verantworten.
Von nun an schwankt Nora zwischen Besorgnis um eine durch das Vorstrafenregister womöglich zerstörte Karriere ihrer 20-jährigen Tochter und der Verwunderung darüber, was eigentlich aus ihrer eigenen Vergangenheit als Demonstrantin geworden ist.

Kirsten Ellerbrakes Schreibstil lässt sich flüssig lesen und ist ein bisschen komplexer als bei vergleichbaren Romanen. Obwohl er eher unpersönlich gehalten ist, hat man als Leser den Eindruck, dass das Buch stark autobiografisch geprägt ist - so ging es jedenfalls mir, da ich die wenigen Zeilen über die Autorin zu Beginn gelesen habe.
Auffällig ist hierbei weiterhin, dass sich Ich-Perspektive bei der Beschreibung der Gegenwart und auktorialer Erzähler, zuständig bei Rückblicken in Noras Vergangenheit, abwechseln. Das war in meinen Augen ebenso gewöhnungsbedürftig wie die Angewohnheit der Autorin, oft nicht Noras Äußerungen aufzuschreiben bzw. diese als ihre Gedanken zu notieren. So antworten gelegentlich andere Charaktere auf das, was man lediglich für unausgesprochene Gedanken Noras hält.
Davon mal abgesehen wirken manche Stellen zwanghaft lustig und/oder stimmen einfach nicht mit meinem Humor überein, weswegen es das Buch leider nur vereinzelt geschafft hat, mich zum Schmunzeln zu bringen.
Als schwerwiegender empfinde ich persönlich, dass ich weder zu Nora noch zu Charlie (geschweige denn zu einem anderen Charakter) eine Verbindung aufbauen konnte. Soll heißen: Ich war nicht fähig, mich mit ihnen zu identifizieren oder sie sympathisch zu finden. Mag sein, dass mir die ein oder andere Reaktion einer Figur gefallen hat, aber das war es dann auch schon. Insbesondere Nora hat mich dann zunehmend durch ihr paranoides, teilweise spießiges und unentschlossenes Verhalten genervt, weswegen ich mich zum Lesen regelrecht zwingen musste, da zudem die Handlung sehr langatmig war.
Umso erleichterter war ich daher, als das Ende nahte, welches ich immerhin guten Gewissens als gelungen bezeichnen kann, wenn man darüber hinwegsieht, dass es ein klein wenig unrealistisch war. Damit ist es zwar eine kleine Entschädigung, macht aber nicht die zahlreichen vorangegangenen Seiten wett.
Für mich persönlich stellt das Buch aus den genannten Gründen leider eine Enttäuschung dar.

Mein Fall war das Buch nicht, aber wer eine ähnliche Geschichte wie Nora hat und Gefallen an der Leseprobe findet, könnte von "Guten Morgen Revolution, du bist zu früh!" gut unterhalten werden.