Rezension

Nicht nur Brüssel hat Schwein!

Die Hauptstadt - Robert Menasse

Die Hauptstadt
von Robert Menasse

Bewertet mit 4.5 Sternen

"In Brüssel laufen die Fäden zusammen - und ein Schwein durch die Straßen."

So lautet der erste Satz im Klappentext des Buches

Die Hauptstadt von Robert Menasse.

Menasse benutzt dieses Schwein, um fast sämtliche Protagonisten dieser Geschichte gleich im Prolog vorzustellen. Besser, man macht sich gleich eine kleine Übersicht, denn vieles passiert in Brüssel und manches davon nur zur Ablenkung, wie zum Beispiel das Schwein. Oder halt, ist das Schwein vielleicht der rote Faden?
Die Story scheint vielschichtig und die einzige Gemeinsamkeit die Örtlichkeit zu sein. Der alte Herr, der in ein Altersheim gleich neben dem Friedhof umzieht, Dr. Martin Susmann, der just neben dem Hotel wohnt, in dem ein Mord stattfindet, die beiden Kollegen, die sich im nahegelegenen Restaurant treffen, um an ihrer Karriere zu basteln, der Professor, der einem "Schweineopfer" aus der Pfütze hilft und nichtsahnender Fotograf des Mörders wird und letztendlich der Kommissar, der nicht ermitteln darf, weil dieser Mord "nie stattgefunden" hat.

Brüssel, das ist die Hauptstadt der Europäischen Union und die "Grube" in die alle Befindlichkeiten der EU-Länder hineingeschüttet werden, in der Erwartung, dass daraus ein vernünftiger Konsens erwächst. Brüssel ist auch der Ort, wo sämtliche Gestalten mit ihren ureigensten Anliegen auftauchen, um zu "gewinnen", ihre Ideen umzusetzen, oder einfach nur den Kopf über Wasser zu halten. Ein jeder hat seine Geschichte, die der Autor akribisch erzählt, denn sie könnte wichtig sein für die Logik des Geschehens. Schweine im Allgemeinen kommen da immer wieder vor.

Gelacht habe ich selten, überrascht war ich oft und immer gebannt, von dem, was mir Menasse da erzählt, ohne Anfang und auch ohne Ende, denn es ist fast eine Momentaufnahme. Die Idee der Europäischen Union wurde mir näher gebracht, ja fast schon beworben, ein Schweineschlachtbetrieb aus meiner Heimat erwähnt, die Nato und die Kirche in meinen Fokus gerückt und eine Anspielung auf ein anderes Buch, welches ich gerade lese (Kolonialgeschichte Belgiens), gemacht.

Alles in allem, hat mich Herr Menasse mit diesem gut geschriebenen Buch sehr gut unterhalten und auch informiert.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 16. Januar 2018 um 18:59

Kluge Rezension! Stimmt, zum Brüllen ist es nicht das Buch. Aber ich habe schon oft geschmunzelt.  Fand alles treffend beschrieben - sehr häufig ist die Arbeit (der Beamten) für den Papierkorb.