Rezension

Nicht nur ein Kinderbuch!

Die lebenden Träume - Assjah 1
von Juliane Seidel

Bewertet mit 5 Sternen

Annika liest ein Kinderbuch, obwohl sie sich vor langem geschworen hat, kein Buch mehr zu lesen, dessen Helden nicht mindestens 13/14 sind, weil sie für Bücher für eine jüngere Zielgruppe einfach nicht mehr geeignet ist. Tja, wieso also liest Nika dieses Kinderbuch, fragt ihr euch? Ausschlaggebend waren zwei sehr wichtige Bestandteile: Träume und Fantasie. Fantasie nicht als Fantasy sondern Fantasie im Sinne von Vorstellungskraft und was man damit tun kann, aber lest selbst:
Eine Mutprobe verschlägt Kim in ein altes Herrenhaus, seine Suche nach einem Beweis, dass er hier war, erweist sich zunächst recht schwierig, sind doch alle Schränke und Kommoden leer. Bis er etwas findet, das wie eine goldene Lupe aussieht: einen Traumspiegel. Mit diesem holt er die beiden Feen Silberfünkchen und Goldlöckchen aus seinen Träumen in die Realität. Nachdem das mit den beiden so gut geklappt hat, will er sich auch einen kleinen Schlangendrachen herholen, wäre ja sicher ein nettes Haustier. Doch etwas geht schief und statt eines kleinen Drachens holt Kim Finneas, einen alles andere als kleinen Drachen, in die Wirklichkeit.
Nun muss er also versuchen, dem Drachen durch Wiesbaden zu folgen und ihn einzufangen. Nichts leichter als das … na ja, nichts leichter als das, nachdem er noch den Magier Annatar aus seiner Traumwelt herbeigeholt hat. Dieser schafft es dann zumindest, Finneas in einen Rattendrachen zu verwandeln, so dass Kim ihn bequem in seinem Zimmer verstecken kann. Allerdings gibt es da noch ein Problem: Kim hat noch nicht herausgefunden, wie er seine Traumwesen wieder in seine Träume zurückschicken kann. Die vier sind also fürs erste in unserer Welt gefangen und für Annatar bedeutet das, Kim muss mit ihm einkaufen, denn in seiner Magierrobe kann er ja nicht durch Wiesbaden laufen.
Als sie vom Einkaufen auf dem Nachhauseweg sind, wird Kim von einem Schatten angegriffen und verliert das Bewusstsein. In seinen Träumen muss Kim mit Entsetzen feststellen, dass ein Teil seiner ausgedachten Welt wie leergefegt ist. Kein Mensch ist mehr zu sehen, dafür jedoch die Schatten, die in auch in der Wirklichkeit angegriffen haben. Als es ihm schließlich gelingt, die Feen, Finn und Annatar zurück in seine Träume zu bringen, machen die fünf sich auf den Weg, um herauszufinden, was es mit den Schatten auf sich hat und wie man sie besiegen kann.
Was für ein wunderschönes Buch! Ich kann es gar nicht anders sagen: Es ist wirklich ein Traum! Assjah und Adaan aus Kims Träumen sind mit so viel Liebe zum Detail ausgedacht und beschrieben, dass ich mich oft fragte, seit wann die gleiche Karte, die Kim in seinem Zimmer hat, im Zimmer der Autorin hängt oder liegt, um bei jeder Gelegenheit um neue Städte, Tiere und Menschen erweitert zu werden.
Kims Träume sind so real, wie man es sich als Kind nur wünschen kann. Die Abenteuer, die er in seiner Welt erleben kann, so vielfältig und bezaubernd und sie zeigen, welche Fantasie in Kim – und seiner Autorin – stecken. Auf der anderen Seite ist Kim aber auch noch sehr der zehnjährige Junge, der er sein soll. Er hat seine Traumwelt einfach so zum Spaß erschaffen, ohne groß darüber nachzudenken, warum, oder wofür. Er hat sich keine Gedanken darüber gemacht, was seine erdachten Wesen davon halten, was in ihrem Leben geschieht. Er handelt mitunter unbedacht und überstürzt, wie eben, als er die vier aus seinen Träumen in die Realität holt und doch – jedes Kind hätte so gehandelt, glaube ich. Ich weiß, ich hätte es getan.
Die Figuren in seinen Welten sind so schön gezeichnet (sowohl mit Worten, als auch die Illustrationen von Tanja Meurer zu Beginn des Buches und auf dem ersten Buchstaben eines neuen Kapitels) und sie wachsen einem alle ganz schnell ans Herz, selbst Finn, der gerne einmal um sich keift. Ganz besonders gerührt hat mich persönlich Annatars Geschichte und ich hoffe ganz besonders auf ein Widersehen mit ihm um zu erfahren, was aus ihm geworden ist.  
„Assjah – Die lebenden Träume“ ist kein Kinderbuch. Zumindest würde ich es nicht als solches bezeichnen. Es ist ein Buch für alle Träumer. Ganz gleich, ob sie zehn, oder 29 oder 67 Jahre alt sind. Es gibt Kinderbücher, bei denen wünsche ich mir, es hätte sie vor 20 Jahren gegeben, damit ich sie hätte wirklich vollkommen genießen können. Nun, ich bin 20 Jahre über der Zielgruppe für „Assjah“ und ich habe es trotzdem in vollen Zügen genossen und ich kann es kaum erwarten, mehr über Kim und seine Traumwelten zu lesen.