Rezension

Nirgends richtig zu Hause

Häuser aus Sand - Hala Alyan

Häuser aus Sand
von Hala Alyan

Bewertet mit 5 Sternen

„Häuser aus Sand“ ist eine politische Geschichte, die die wohlhabende Palästinensische Familie Yacoub bei ihrer Flucht vor dem Krieg über Generationen hinweg begleitet. Ausgehend von ihrer Heimat Jaffa müssen die Yacoubs zunächst nach Nablus, dann nach Kuwait und nach Amman in Jordanien fliehen. Ab der 3. Generation leben Teile der Familie sogar in Paris und Boston. Da die Familie finanziell gut betucht ist, ist die Flucht jedoch eher mit einem Umzug oder mit einem Weiterziehen vergleichbar. Ein neues Haus, neue Einrichtungsgegenstände werden angeschafft. Neue Hausmädchen werden eingestellt. Das Leben geht weiter.

Obwohl arabisch gesprochen wird, werden die Yacoubs auch an ihren Wohnorten im Nahen Osten aufgrund ihres „Dialekts“ als Fremde identifiziert und entsprechend behandelt. Deshalb fällt es ihnen schwer, richtig Fuß zu fassen. Durch ihr dauerhaftes Leben im Ausland nehmen sich die Yacoubs auch den jeweiligen Lebensstil im Land an. Schleichend und unbemerkt verändern sich die Yacoubs in ihrem Habitus. Somit weichen die späteren Generationen so stark von ihren Landsleuten ab, dass sie auch in Palästina als Fremde empfunden werden.

Als gesellschaftskritische Betrachtung setzt sich „Häuser aus Sand“ über die Flucht hinaus mit der Veränderung der Haltung der Muslime im Glauben und dem Einfluss der westlichen Welt auf den „Erziehungserfolg“ bei den Kindern auseinander. Auch fernab von der europäischen Kultur findet dem entsprechend eine Verrohung der Gesellschaft statt, wenn auch das Ausmaß ein anderes ist. 

Alia ist als die Jüngste der 2. Generation das Familienmitglied, das die gesamte Geschichte miterlebt. Während ihrer aufmüpfigen Kindheit als Nesthäkchen hat sie ihrer Familie einigen Kummer bereitet. Deshalb mochte ich sie als Kind nicht so gern. Nach ihrer Hochzeit mit Atef ist ihr Leben von heftigen Turbulenzen gekennzeichnet. Dennoch hält Alia immer die Familie zusammen. Sie erträgt ihr schwieriges Schicksal ohne sich zu beklagen, versucht das Beste daraus zu machen. Dafür habe ich Alia dann bewundert.

An dem Roman hat mir der Blick hinter die Kulissen der Palästinensischen Familie besonders gut gefallen. Man erkennt, was man eigentlich weiß, was allerdings die mediale Berichterstattung vollständig ausblendet, nämlich dass auch Palästinenser oder dass auch Muslime neben dem politischen Konflikt ganz normale Problemchen wie eine krumme Nase oder Übergewicht haben. Als weiterer Pluspunkt verleihen die eingestreuten arabischen Worte dem Roman zusätzlich Authentizität. 

Durch das Beschränken der Geschichte auf die wichtigsten Stationen der Familie mit mehrjährigen Lücken dazwischen und durch spontane Gedankensprünge und Rückblicke wird die Aufmerksamkeit des Lesers stark beansprucht. Auch wenn mir dieser Erzählstil gefallen hat, könnte ich mir vorstellen, dass er nicht jedermanns Sache ist.

Fazit: Empfehlung an alle, die auch beim Lesen gern eine Herausforderung annehmen.