Rezension

Nur ein Schatten von Cohens erstem Thriller

Du stirbst nicht allein - Tammy Cohen

Du stirbst nicht allein
von Tammy Cohen

Das erste Buch von Tammy Cohen auf dem deutschsprachigen Markt war ein Entführungsszenario mit einer spektakulären Wendung. „Während du stirbst“ hat mich nicht nur tief erschüttert zurückgelassen, sondern hat mich auch mit Spannung auf den Nachfolger „Während du stirbst“ warten lassen – aber das, was uns die Engländerin hier liefert, ist nur ein Schatten des Vorgängers.

Es gibt bei „Du stirbst nicht allein“ einige Erzählstränge, zum Beispiel den von Emma. Emma ist die Mutter des dritten von mittlerweile vier Opfern und selbst nach zwei Jahren hat sie den Mord an ihrer Tochter Tilly nicht verkraftet. Stattdessen hat sie sich mit ihrem Mann Guy zunehmend auseinandergelebt.
Dann gibt es den Strang um Sally, die die Mordserie seit Jahren journalistisch begleitet und die außerdem von einigen First World Problems gequält wird (sie will eine Zigarette rauchen, verbietet es sich aber; sie will Autofahren, darf aber wegen ihres Sündenregisters nicht, usw.; über alle Probleme ist sie stinkwütend).

Weiters gibt es Leanne, die Opferschutzbeamtin beim Scotland Yard, geschieden und unfruchtbar ist. Obwohl sie in einer glücklichen Beziehung ist, hat sie mit ihrem Ex-Mann noch nicht so wirklich abgeschlossen– erschwerend kommt hinzu, dass er ebenfalls Opferschutzbeamter ist und sie ihn regelmäßig sieht.
Rory ist der Bruder des ersten Opfers, Megan. Auch um ihn gibt es einen Strang; seine Figur ist von allen am authentischsten gezeichnet. Daneben gibt es noch ein paar andere Stränge, die relevant für die Geschichte sind – manche mehr, manche weniger.

Unübersichtlich wird es trotz all dieser Stränge nicht, und trotzdem fehlt ihnen allen die Nähe des Lesers zu den jeweiligen Charakteren. Es fehlt irgendetwas, das den Leser am Lesen hält. Die Atmosphäre, die „Während du stirbst“ im Übermaß hatte, fehlt hier komplett. „Du stirbst nicht allein“ ist eintönig, träge und einfach nur more of the same, also das genaue Gegenteil vom Vorgänger. Die Figuren haben null Charakter,  keine Ecken, wenige Kanten, sind alle austauschbar; es gibt nichts an ihnen, was den Leser reizt, weil alles irgendwie und irgendwo schon da gewesen ist – das selbe trifft auf dem Plot zu.

Natürlich ist klar, dass Tammy Cohen nicht in jedem ihrer Bücher das Rad neu erfinden kann, und trotzdem fehlt mir hier das Besondere, der Punch, die Seele. Stattdessen schleppt sich die Handlung vor sich hin, als hätte sie selbst keine Lust darauf, in dem Buch zu sein. Auf Cohens Website wird „Du stirbst nicht allein“ als „a page-turning psychological thriller“ – das kann ich in keinster Weise unterschreiben. Stattdessen war ich froh, wenn ich immer wieder eine Pause machen konnte. Und auch wenn der Showdown außergewöhnlicher war als der Rest, ging mir zwischendurch auch diese Täter-Theorie, die uns letztendlich präsentiert wird, durch den Kopf – vor allem, weil man sie vom Titel ableiten kann.

Fazit: „Du stirbst nicht allein“ ist keineswegs ein durch und durch schlechtes Buch, aber im Vergleich zu „Während du stirbst“ ist ein gehöriger Niveau-Abfall zu erkennen, vor allem, was Spannung und Atmosphäre betrifft, die nur spärlich bzw. gar nicht vorhanden ist. Ich warte jetzt auf Cohens nächsten Thriller – allerdings mit mehr Skepsis als Spannung. 

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