Rezension

Odyssee einer Sklavin

Underground Railroad
von Colson Whitehead

Bewertet mit 5 Sternen

„Irgendwo, vor Jahren, war sie vom Pfad des abgekommen und fand nicht mehr zur Menschenfamilie zurück.“ Cora wurde schon als Sklavin geboren. Bereits ihre Großmutter Ajaary und ihre Mutter Mabel waren Unfreie gewesen. Ajaary war längst tot, Mabel gelang vor Jahren die Flucht von der Farm und Cora blieb als kleines Mädchen auf sich allein gestellt auf der Baumwollplantage zurück. Die harte Arbeit auf der Plantage, der ständige Kampf um das kleine Stück Land, auf dem sie Rüben und Wurzeln zog, um ihre karge Nahrung aufzubessern, und die Einsamkeit hatten Cora zu einer Einzelgängerin gemacht. Jahre später trifft sie auf Caesar. Nach dem Tod seiner früheren Besitzerin war er als neuer Farmsklave gekauft worden und plante seine Flucht. Gemeinsam mit Cora wollte er mit der Railroad, der unterirdischen Eisenbahn, die, von wem auch immer gebaut, über ein Netz aus geheimen Stationen verfügte und deren Helfer Leibeigenen zur Flucht verhalfen,  in die Freiheit aufbrechen. Ein gefährliches Unterfangen, denn Sklaven waren lebenslang Eigentum ihrer Besitzer und kein Aufwand war zu hoch, um sie zurück zu bringen.

In anschaulichen Bildern erzählt Colson Whitehead über eines der dunkelsten Kapitel der Menschheit, die Sklaverei. Unterdrückung, schwere körperliche Misshandlungen, die Hatz auf entlaufene Sklaven durch Häscher werden thematisiert und durch die Geschichte von Cora zum Leben erweckt. Als roter Faden durch den Roman zieht sich neben ihr auch der Sklavenjäger Rideway. Er verdient sich seinen Lebensunterhalt durch die Rückbringung Geflohener. Gnadenlos und brutal jagt er Cora, nachdem ihm schon ihre Mutter Mabel entwischt war. Cora ist eine starke und unerschütterliche Frau. Überhaupt fällt im Roman auf, dass wenig auf weiche Emotionen gesetzt wird. Das Leben dieser Zeit ist unerbittlich und so hat es auch die Menschen hart gemacht. Whitehead erzählt interessant und spannend von Rasseunterschieden, der „Farbigenfrage“ und vom Abolitionismus, dem Kampf für die Abschaffung der Sklaverei. Ohne Rücksichtnahme wurde jeder, der Sklaven versteckt hat oder auch nur Schriften, die sich gegen die Sklaverei aussprachen, besaß, am nächsten Baum aufgeknüpft. Ebenso wie die Bestrafung der Sklaven wurde dies in einem Volksfestcharakter gehalten. Trotz ihrer Flucht fühlte sich Cora weiter in Gefangenschaft. Versteckt, gehetzt, von ständig drohendem Denunziantentum in die Enge gedrängt, die Lebensbedingungen anders, aber nicht besser.

Ein eindringlicher Roman ist „Underground Railroad“ und eines der, wenn nicht das beste Buch, das ich in diesem Jahr gelesen habe. Vielleicht ist nicht jedes Buch, das mit einem Preis ausgezeichnet wurde, ein besonderes Buch. Das Buch, das den Pulitzerpreis 2017 erhalten hat, ist es aber auf jeden Fall. Ich möchte diesen Roman unbedingt empfehlen!