Rezension

Ohne die üblichen verschönernden Klischees, aber nicht unsensibel

Das Schicksal ist ein mieser Verräter
von John Green

Klappentext:
Hazel Grace und Augustus lernen sich in einer Selbsthilfegruppe für Krebspatienten kennen und fühlen sich vom ersten Augenblick an vom anderen angezogen. Hazel liebt Gus für seine Schlagfertigkeit und für seine offensive Art, wie er mit seinem Schicksal umgeht. Und Augustus baggert Hazel auf seine charmant witzige Art an, als gäbe es kein Morgen. Aber Hazel hat Angst. Sie will für niemanden eine tickende Zeitbombe sein, und genau so fühlt sie sich in ihrer Erkrankung. Doch dann kann sie sich Gus' Charme nicht mehr entziehen, der ihr einen ihrer größten Wünsche erfüllt und sie kurzerhand nach Amsterdam entführt. So furchtbar ihre Diagnosen sind, Hazel und Augustus feiern das Leben und die Liebe, und kosten die kurze Zeit, die ihnen bleibt, jede Sekunde aus.

Einordnung:
Das Buch ist kein Teil einer Reihe.

Rezension:
An das Buch bin ich äußerst skeptisch herangegangen, weil ich normalerweise nichts mit Krebsbüchern anfangen kann. So tragisch die Erkrankung auch ist, es ist immer das gleiche Drama mit ganz viel Herzschmerz und am Ende stirbt jemand. Beim Lesen dieses Buches habe ich dann aber schnell gemerkt, dass es mit allen Klischees bricht.
Auch in dieser Geschichte ist eine solche Erkrankung natürlich ein schwerer Schicksalsschlag für eine Familie, doch das Leben geht für die Angehörigen trotzdem weiter. Und gerade bei unheilbaren Krebsarten müssen sich die Eltern einfach Gedanken darum machen, wie es nach dem Tod ihres Kindes weiter gehen soll. Das Leben wartet nicht, bis sie ihre Trauer verarbeitet haben. Das ist brutal, aber leider Realität, sodass ich es wunderbar finde, dass der Autor das in der Geschichte darstellt. Es dreht sich nicht ausschließlich alles um die Kinder, schließlich haben alle anderen Charaktere trotzdem auch ein eigenes Leben.
Außerdem wird immer wieder hervorgehoben, dass erkrankte Kinder häufig den „Krebsbonus“ bekommen, also besondere Vergünstigungen, weil sie so krank sind. Für Hazel und Gus bedeutet das, dass sie unter anderem trotz ihrer Minderjährigkeit Champagner im Flugzeug bekommen, weil die Flugbegleiterin Mitleid mit ihnen hat. Daran und an Kaitlyn, einer Freundin von Hazel, wird deutlich, dass Krebskinder nicht nur wegen ihrer Krankheit kein normales Leben führen können, sondern vor allem, weil die Umwelt peinlich berührt und mit Vorurteilen darauf reagiert. Das stört Hazel und Gus meist ebenso wie mich, denn sie sind auch einfach nur Menschen – zwar sterbenskrank, aber trotzdem einfach nur Menschen. Im Gegensatz zu den Protagonisten in vielen anderen Krebsbüchern, wollen die beiden das Mitleid nicht. Sie leben ihr Leben so gut sie können wollen ihren Familien und anderen nicht zur Last fallen. Das minimiert das Gejammer in dieser Geschichte, sodass Melancholie nur in Situationen eine Rolle spielt, in denen sie angebracht ist.
Ein weiteres Klischee, das in dem Buch nicht nur ignoriert, sondern sogar noch auf die Schippe genommen wird, ist der unglaubliche Kampfgeist der Krebskinder. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Leben mit Krebs ein ziemlicher Kampf ist, aber Aussagen wie „Er hat tapfer bis zum Ende gekämpft“ klingen für mich immer wie Floskeln. Das Buch kritisiert diese Darstellung in Form von Hazel, die selbst keine Krebsbücher mag, weil sie die Geschichten als unrealistisch empfindet. Deshalb wird in diesem Buch nicht gekämpft bis zum bitteren Ende, sondern ein Patient mit Krebs im Endstadium von den Medikamenten sediert, vor sich hin murmelnd in seinem eingenässten Bett gefunden. Ich kenne mich mit Krebs nicht aus, aber diese Darstellung finde ich weit realistischer.

Das Buch ist nicht zuletzt deshalb schön zu lesen, weil es herrlich sarkastisch und humorvoll geschrieben ist. Natürlich gibt es leichte Anflüge von Depression, aber insgesamt sind gerade die Gespräche zwischen Hazel und Gus meist sehr witzig als traurig. Sie und Isaac, ein Freund von Gus, erfreuen sich ihres Lebens beispielsweise bei einem sprachgesteuerten Computerspiel, dem sie teilweise nicht jugendfreie Anweisungen geben und so ständig vom Computer missverstanden werden. Trotz der Schwere ihrer Krankheit haben sie häufig ein freches, ironisches Wort auf den Lippen. Und dadurch, dass die meist wirklich guten Krebswitze von ihnen als Patienten gemacht werden, sind sie auch ohne weiteres als Witze hinnehmbar.

Nachdem ich die ersten Seiten gelesen hatte, hatte ich direkt eine Vermutung, wie die Geschichte enden könnte und dass mir das aus Authentizitätsgründen nicht gefallen würde. Schlussendlich hatte ich Recht mit meiner Vermutung, aber überraschenderweise hat mir das Ende trotzdem gefallen. Die Charaktere sind so sympathisch gestaltet und die Liebesgeschichte entwickelt sich ganz langsam und zart, sodass mich das Buch wirklich angesprochen hat. Außerdem geht dem Ende wegen ausführlicher und vor allem rechtzeitiger Beschreibungen die Authentizität überhaupt nicht verloren. Das Buch hat mich tatsächlich umgestimmt.

Fazit:
Dieses Krebsbuch enthält eine Geschichte ohne die üblichen Klischees, die Charaktere begegnen der Krankheit sarkastisch und humorvoll und die Beschreibungen klingen hart und realistisch, ohne dabei unsensibel zu werden. Hazel und Gus sind zwei sehr sympathische Protagonisten, die keinen Wert auf Mitleid legen und dadurch das nervenaufreibende Jammern in Grenzen halten. Zu Tränen gerührt hat mich die Geschichte zwar nicht, aber es ist definitiv ein gutes Buch, das ich durchaus auch noch mehrmals lesen werde. Deshalb bekommt „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ wohlverdiente vier Schreibfedern von mir.