Rezension

Original und Fälschung

Das letzte Bild der Sara de Vos - Dominic Smith

Das letzte Bild der Sara de Vos
von Dominic Smith

Bewertet mit 5 Sternen

Der Roman “Das letzte Bild der Sara de Vos“  (“The Last Painting of Sara de Vos“) spielt auf drei Zeitebenen – 1637, 1957 und 2000) und an drei Schauplätzen – Amsterdam. Manhattan und Sidney . Dem reichen Patentanwalt Marty de Groot wird während einer Wohltätigkeitsveranstaltung in seinem Loft das Gemälde “Am Saum eines Waldes“ aus dem Schlafzimmer gestohlen. Das Bild befand sich seit drei Jahrhunderten im Besitz der Familie de Groot. Als Marty nach einigen Monaten den Diebstahl bemerkt, weil der Rahmen der nahezu perfekten Fälschung anders aussieht, empfindet er zunächst Erleichterung, war er doch über all die Jahre davon überzeugt, dass auf dem Bild ein Fluch liegt. Generationen von de Groots wurden von diversen schweren Krankheiten geplagt, und keiner wurde älter als 60. Später wird er jedoch sehr wütend, weil man ihm etwas so Wertvolles weggenommen hat und engagiert einen Privatdetektiv. Der findet bei seinen Recherchen bald einen dubiosen Kunsthändler und die Kunststudentin Ellie Shipley, die für ihn Bilder restauriert. Sie wurde unter Vorspiegelung falscher Tatsachen dafür engagiert, dass Bild zu kopieren und begreift erst viel später, dass sie sich mit der Anfertigung einer Fälschung strafbar gemacht hat. Marty nimmt unter falschem Namen Kontakt zu ihr auf und lässt sich bei Auktionen von ihr beraten. Ellie Shipleys Spezialgebiet sind die holländischen Malerinnen des 17. Jahrhunderts, speziell Sara de Vos, von der zunächst nur das eine Gemälde bekannt ist. Mehr als 40 Jahre später werden sich die Beiden in Sidney wiedersehen, wo Shipley Kuratorin einer Ausstellung mit Gemälden des holländischen Goldenen Zeitalters ist. “Am Saum eines Waldes“  wird zweimal vertreten sein, als Original und als Fälschung. Marty de Groot reist mit seinem Bild dorthin, und ein Museum in Leiden schickt zwei Leihgaben, u.a. ein bisher unbekanntes Gemälde von Sara de Vos. Ellie Shipley wird von ihrer Vergangenheit eingeholt. Ihr ganzes Leben war überschattet von der einen schlimmen Tat. Reue und Schuldgefühle haben sie nie verlassen. Das hat sie mit Marty gemeinsam, der ebenfalls zutiefst bereut, was er ihr  vierzig Jahre zuvor angetan hat. Er ist inzwischen 82 Jahre alt, Ellie in den 60ern. Es ist Zeit, die alte Geschichte zum Abschluss zu bringen. 
In seinem kunstvoll komponierten Roman erzählt Smith eine Geschichte von Liebe und Verlust, von Schuld und Reue und von den Veränderungen, die große Kunst beim Betrachter bewirkt. Er beweist viel  Sachkenntnis, wenn  er den Leser in die Malerei des 17. Jahrhunderts einführt, wenn er detailliert beschreibt, wie Leinwände vorbereitet, Farben hergestellt und aufgetragen werden, wie schichtweise ein Wunder aus Farben und Licht entsteht. Er zeigt aber auch, wie der Wert einzigartiger Kunst Begehrlichkeiten weckt und Kriminelle anzieht. Besonders berührt hat mich die Geschichte der fiktiven Malerin Sara de Vos, für die der Autor die Biografien mehrerer Malerinnen aus der Zeit ausgewertet hat. An ihrem Beispiel zeigt er, wie schwierig es war, in die berühmte Gilde aufgenommen zu werden und von der Kunst zu leben. Saras geliebte Tochter Kathrijn stirbt innerhalb von vier Tagen an der Pest. Darauf folgt der finanzielle Ruin und das Zerbrechen ihrer Ehe mit dem hochverschuldeten Ehemann Barent. Mit dem  ebenfalls fiktiven Gemälde  “Am Saum eines Waldes“ erschafft die Künstlerin überwältigende Schönheit aus tiefstem Schmerz. Auch sprachlich-stilistisch ist der Roman sehr gut gelungen und fesselt den Leser trotz oder gerade wegen der detaillierten Ausführungen zu Malerei und Zeitgeschichte. Ich fand den Roman außerordentlich faszinierend.