Rezension

Perfekt in ihrer Unperfektheit, fernab von Klischees, berührend, authentisch, mutig und besonders hoch 10!

Zwei Tage, zwei Nächte und die Wahrheit über Seifenblasen - Angela Mohr

Zwei Tage, zwei Nächte und die Wahrheit über Seifenblasen
von Angela Mohr

Puh und wow und oh Gott, was war das für ein Buch! o.O Es hat mich am Ende sprachlos gemacht. Ich wusste nicht, wohin mit meinen Gefühlen und musste alles erstmal sacken lassen. Aber von vorn …

Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive zweier Charaktere erzählt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Nik, ein Junge, mit einer ordentlichen Prise krimineller Energie, hat mich sofort an seine Seite geholt. Ich war ab dem ersten Satz als unsichtbarer Zuschauer direkt neben ihm bzw. als heimlicher Gast direkt in seinem Kopf. Apropos Gast: Er kommuniziert immer wieder mit einem „Captain“, der in seinem Kopf sitzt, und es ist an den Lesern, sich zu überlegen, was es mit ihm auf sich hat. Es ist auf jeden Fall eine interessante und besondere Idee. Ebenfalls genial war, wie Nik uns Leser direkt angesprochen hat. Ich mag seine Umgangssprache und seine ganz eigene Sicht der Dinge. Ein Beispiel:

"Ich renne die Rolltreppe runter, rempele an Menschen vorbei, höre, wie jemand etwas hinter mir herruft. Ich kann keine Rücksicht nehmen. Jemand ist hinter mir her, Leute, denke ich, vielleicht will er mich umbringen, also einfach mal die Fresse halten. Menschen, die keine Ahnung haben, stehen einem ständig irgendwo im Weg rum. Und die meisten Menschen haben keine Ahnung." (Nik, S. 8)

Das hat mich sofort in die Story reingezogen und mich verzaubert. Ich hatte zu keiner Zeit das Gefühl, dass Nik ein ausgedachter Charakter ist, er ist durch und durch ECHT.

Genau so wie Aino, die wir gleich darauf kennenlernen. Sie ist ein schweigsames, etwas merkwürdiges und in sich gekehrtes Mädchen. Warum, erfahren wir im Laufe der Geschichte. Ihre Kapitel sind zu Anfang etwas gewöhnungsbedürftig, denn sie denkt sehr sprunghaft in kurzen, abgehackten Sätzen und rhetorischen Fragen, baut außerdem eine kryptische „Altaikrieger-Geschichte“ ein und auch noch jede Menge Fakten über Sprachen und Gesänge. Darauf muss man sich erstmal einlassen. Aber ich mochte das. Wie sage ich immer? Lieber besonders und schräg, als langweilig und Mainstream. Außerdem schürt dieses spezielle Art des Erzählens die Spannung und ich wollte unbedingt wissen, warum Aino so hartnäckig schweigt …

"Ich bin allein. Wir sind alle allein, jeder für sich: kalte Meteoriten, die durch ein kaltes Universum taumeln. Wir suchen und suchen und suchen nach einem Sinn in dem Ganzen, aber die Wahrheit ist: Es gibt keinen Sinn." (Aino, S. 209)

Die Story ist ebenso speziell wie die Charaktere. Wer hier aufgrund des Covers ein fluffig-sommerliches Roadtrip-Romance-Jugendbuch erwartet, könnt eventuell enttäuscht werden. Und das meine ich absolut positiv, denn in der Geschichte steckt so viel mehr. Sie ist meilenweit davon entfernt, gewöhnlich zu sein! Ich hätte es bei der Autorin auch eigentlich wissen müssen. Schließlich schreibt Angela Mohr immer besondere Bücher zu besonderen Themen. Kein Mainstream weit und breit, nicht mal, wenn man das Fernrohr rausholt. :)

Nik und Aino erleben also ihr ganz eigenes Roadtrip-Abenteuer mit allem drum und dran: Diebstahl, Besuch im Sexshop, Übernachtung im Wald und Motorrad-Spritztour inklusive. Dabei haben aber beide Charaktere ihr Päckchen zu tragen, das immer wieder angedeutet, aber erst sehr spät aufgelöst wird. Schlecht für uns Neugierige, aber gut für die Spannung! So wollte ich immer weiter lesen … Es gibt eigentlich keine großen Überraschungen und doch ist der Weg dorthin eine einzige große Überraschung. Man weiß nie, was als Nächstes passiert, und blättert deshalb rasend schnell durch die Seiten!

Angela Mohrs Schreibstil hat dabei eine ganz eigene Melodie, bei der kein Wort fehl am Platz ist. Ich habe ja auch schon gesagt, dass er besonders ist. Genau wie das ganze Buch. Aber Moment, besonders reicht hier gar nicht aus. Besonders hoch 10, hoch 20! Vor allem das Ende hat mich (wie passend) sprachlos gemacht. Ich war danach echt fertig, weil die Worte mich beeindruckt und sich in meine Gehirnwindungen gebrannt haben. Dabei fordert das Buch einiges vom Leser – traut ihm aber auch einiges zu. Ihr solltet am besten euren Kopf ausschalten und auf euer Herz hören.

Es passiert mir wirklich selten, dass mir so ein tief empfundenes Buch unterkommt, das mein Herz zum Rasen bringt, mich nachdenklich macht und zu Tränen rührt. Ich habe das Gefühl, dass die Geschichte GENAU SO niedergeschrieben werden musste. Und das finde ich von der Autorin absolut mutig, denn so gefällt die spezielle Geschichte nicht jedem Leser und man muss sich darauf einlassen. Abschließend bleibt mir nur zu sagen, dass Angela Mohr hoffentlich nie aufhören wird, zu schreiben, denn DAS ist Literatur und genau aus diesem Grund lese ich – um solche Geschichten zu entdecken! <3

"Irgendwann fange ich an zu lachen und bekomme kaum mehr Luft, weil der Rucksack schwer an meinen Schultern zieht. Und Aino lacht mit, ich höre ein Glucksen von ihr, und auch wenn sie nicht lauthals schreit, so lacht sie doch wenigstens, und das ist das schönste Geräusch, das ich jemals gehört habe, das schönste, das es wahrscheinlich gibt in dieser monströs lauten Welt. Und auch wenn ich mir wünschen würde, dass sie schreit, dass sie singt und laut lacht und nicht nur gluckst, höre ich nicht auf zu rennen, ihre Hand in meiner, wo sie so genau hinpasst, als hätte sie schon immer dorthin gehört." (Nik, S. 137f.)

Fazit: Diese Geschichte ist perfekt in ihrer Unperfektheit und fernab von Klischees. Berührend, ehrlich mit Ecken und Kanten. Ein mutiges Jugendbuch in jeder Hinsicht: Schreibstil, Charaktere und Handlung sind etwas ganz Besonderes und haben mich nachhaltig beeindruckt. Ich war am Ende wie die Protagonistin erstmal sprachlos. Unbedingt lesen, wenn ihr Jugendbücher mögt, die besonders sind – besonders hoch 10!

Oder, um es mit Ainos Worten zu sagen:

Worte sind Waffen.
Sie können verletzen. Verführen. Verändern.
Trilliarden von Worten in meinem Kopf.
Ich bin sprachlos.
Kann man auch schreiblos sein?
Ich denke so viel.
Ich will nicht denken.
Nur fühlen.