Rezension

Persönlich und berührend

Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken
von John Green

Aza Holmes ist 16 Jahre alt und eigentlich ein ganz normaler Teenager. Aber sie hat es nicht einfach. Ihre Gedanken und Ängste sind ein Strudel; eine Spirale, die sie nach unten zieht und nicht loslässt. Eines Tages verschwindert der Milliardär Russell Pickett, der Vater eines Jungen, mit dem Aza vor Jahren mal befreundet war, und Azas beste Freundin Daisy überredet sie dazu, sich gemeinsam auf die Suche nach dem Mann zu machen, um die auf ihn ausgesetzte 100.000$-Belohnung zu kassieren. Im Verlauf der Suche merkt Aza jedoch, dass sie in Wahrheit auf der Suche nach sich selbst ist. Und so beginnt eine sehr persönliche Reise in das Gefühlsleben eines Teenagers, der sich in seinen Gedanken gefangen fühlt.

Da ich hin und wieder die Videos von John und Hank Green (auf dem Channel vlogbrothers auf Youtube) schaue, wusste ich, dass John unter OCD leidet und "Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken" sicherlich ein sehr persönliches Buch sein wird. Während andere Leser Aza vielleicht als anstrengend und nervig bezeichnen oder Figuren im Buch sie als schlechte Freundin empfinden, empfand ich großes Mitgefühl und Verständnis. Es fühlte sich an, als würde ich Aza kennen. Ich konnte ihr Leid nachvollziehen, wenn sie sich fühlte als wäre sie keine gute Tochter, kein guter, liebenswerter Mensch, ein Wrack, gestört und unfähig, ein normales Leben zu leben. Es tut unglaublich weh, zu sehen, wie sehr man nicht nur sich selbst schadet (wie oft dachte ich "Aza, tu das nicht"), aber auch die Menschen um sich herum verletzt, obwohl man das gar nicht möchte. John Green schafft es also durchaus, die Gedanken und Gefühle von jemandem mit psychischer Erkrankung realitätsnah und unbeschönigt darzustellen und die Konsequenzen mit einer Eindringlichkeit zu schildern, die einem nah gehen muss, selbst wenn man bisher keinerlei Berührung mit Zwangsstörungen oder anderen psychischen Störungen hatte.

Und trotzdem schafft es John Green - und dafür bewundere ich ihn - das alles in einem so wunderbar zugänglichen Roman zu verpacken. Die Figuren sind liebenswert, witzig und einfühlsam. Der narrative Rahmen, die Detektivgeschichte, war schön mit der persönlichen Geschichte von Aza verwoben. John Green hat ein unglaubliches Talent dafür, komplexe Themen in einfachen, schönen Worten und Metaphern darzustellen und seine jugendlichen ProtagonistInnen und Figuren wie echte Menschen und keine Karikaturen zu behandeln. Seine Geschichte wirkt authentisch, aber es gibt immer Hoffnung. Und das ist eine sehr gute Botschaft für alle jungen Menschen (aber auch Erwachsenen), die manchmal oder oft das Gefühl haben, sie würden von ihren Gedanken beherrscht. Mit John Greens Worten: "Gedanken sind bloß Gedanken. Sie sind nicht du. Du gehörst dir, auch wenn deine Gedanken nicht dir gehören" (aus "Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken").