Rezension

Pflichtlektüre für Murakami-Fans

Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki - Haruki Murakami

Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
von Haruki Murakami

Bewertet mit 4 Sternen

„Vom Juli seines zweiten Jahres an der Universität bis zum Januar des folgenden Jahres dachte Tsukuru Tazaki an nichts anderes als den Tod.“

Schon dieser erste Satz bringt den Leser in die melancholische Grundstimmung, die den gesamten Roman durchzieht.

Die Hauptperson des Romans erinnert sich an seine Schulzeit, in dem er und vier seiner Freunde unzertrennlich waren. Die fünf Jugendlichen, drei Jungen und zwei Mädchen unternehmen alles gemeinsam. Sie lernen, führen Projekte durch verbringen ihre Freizeit miteinander. Allen ist bewusst, dass es eine solche Harmonie und Freundschaft unter fünf Personen nur selten gibt und daher achten alle auch streng darauf etwaige Beziehungen, die über die reine Freundschaft hinausgehen, untereinander zu vermeiden.

„Er liebte seine vier Freunde und das Gefühl von Einigkeit, wenn er mit ihnen zusammen war. Wie junge Bäume Nährstoffe aus der Erde ziehen, erhielt Tsukuru die Nahrung, die er in der Pubertät brauchte, von seinen Freunden.“ (Seite 18)

 

Vier der Freunde tragen japanische Farbbezeichnungen in ihrem Namen: Akamatsu, die Rotkiefer; Oumi, blaues Meer; Shirane, weiße Wurzel; Kurono, schwarzes Feld. Nur Tsukuru hat keine Farbe im Namen. Sein Name bedeutet so viel wie „Macher“.

 

Tsukuru verlässt als einziger der Fünferbande nach der Schulzeit seine Heimatstadt Nagoya um in Tokio zu studieren, besucht seine Freunde aber regelmäßig.

Dann, eines Tages, brechen die Freunde ganz plötzlich jeden Kontakt zu ihm ab, lassen sich am Telefon verleugnen und erklären ihr Handeln mit keinem Wort.

Dies stürzt Tsukuru in eine schwere Depression, von der er sich nur knapp erholen kann.

Sechzehn Jahre später kennt Tsukuru den Grund für das Verhalten der Freunde immer noch nicht. Eines Tages lernt Tsukuru die zwei Jahre ältere Sara kennen und beide verlieben sich ineinander. Aber bevor die beiden ein richtiges Paar werden können, verlangt Sara, dass Tsukuru das von seinen Freunden gehütete Geheimnis versucht aufzuklären um die tiefe Wunde, die deren Verhalten ihm zugefügt hat, verheilen zu lassen. Sie recherchiert für ihn die heutigen Aufenthaltsorte der Freunde und Tsukuru machte sich auf seine „Pilgerfahrt“ um sich mit ihnen auszusprechen.

Ein Mitglied der Gruppe ist inzwischen gestorben und wie er nach und nach erfährt soll er selber daran nicht ganz unschuldig sein.

Mehr möchte ich vom Plot hier nicht erzählen, in meinen Augen wird aber das Rätsel am Ende des Romans nicht komplett gelöst sein.

Wie so oft in Murakamis Büchern spielt die Musik eine wichtige Rolle und wer sich einen „Soundtrack“ zum Roman gönnen möchte, kann sich die titelgebenden  „Pilgerjahre“ von Franz Liszt anhören. Im Roman trifft Tsukuru immer wieder auf das Stück „Le mal du pays“ aus dem ersten Jahr der Pilgerjahre.

„…das ist Französisch. Allgemein heißt das so etwas wie Heimweh oder Sehnsucht, aber genau genommen ist es die grundlose Traurigkeit, die eine ländliche Idylle im Herzen der Menschen weckt. Der Ausdruck ist schwer zu übersetzen.“ (Seite 59).

Auch wenn die surrealen Elemente, die die meisten Bücher von Murakami auszeichnen, hier nur sehr selten auftauchen, ist man doch schnell wieder in diesem schwer zu erklärenden „Murakami-Sog“ und man fiebert mit der Hauptperson mit, ob es ihm gelingen wird seiner verletzten Seele die so dringend benötigte Ruhe wiederzugeben.

Murakamis Stil spaltet nicht nur die Meinungen der Leser sondern auch der Kritiker. Den einen sind Charaktere und Dialoge zu flach und holzschnittartig, die anderen loben hingegen gerade diese knappe, sehr leicht lesbare Schreibweise.

Für mich war es eine sehr bewegende und spannende Geschichte, die einen auch nach Ende des Romans noch eine Weile beschäftigt und am Beispiel von Tsukuro Tazaki aufzeigt wie unterschiedlich Personen von sich selber und der Umwelt gesehen werden können.

Für Murakami-Fans ist der Roman vermutlich sowieso Pflichtlektüre, aber auch von Murakami-Erstlesern habe ich schon begeisterte Rezensionen gelesen.

Von mir daher eine große Leseempfehlung für diesen Roman. Glücklicherweise kann ich noch ein paar Romane von diesem Autor entdecken.