Rezension

Philosophie der Rechtssprechung

Verbrechen - Ferdinand von Schirach

Verbrechen
von Ferdinand von Schirach

Bewertet mit 4 Sternen

Ferdinand von Schirach, der Autor, schreibt über Verbrechen, und das tut er aus erster Hand. Er ist Berliner Strafverteidiger, erfolgreich als solcher, doch nicht nur in seinen Plädoyers beweist er Scharfsinn und Redegewandheit. In diesem Buch stellt er elf seiner Fälle vor. Was diese Fälle so außergewöhnlich macht, sind nicht die Verbrechen an und für sich, denn sie sind so normal, wie es Verbrechen sind, die nicht von Sherlock Holmes gelöst werden, sondern aus dem normalen Leben stammen. Nein, was sie einzigartig macht, ist die seltsam nüchterne, geradezu lakonische Ausdrucksweise Schirachs, gleichzeitig ungeschnörkelt und doch von einer Eindringlichkeit, der man sich kaum entziehen möchte.

Er schreibt über einen alten Arzt, der nach Jahrzehnten seine Frau umbringt, und doch nicht ins Gefängnis muss, sondern mit drei Jahren offener Vollzug davonkommt. Anfangs ist man empört, als man die Geschichte hinter dem Mord erfährt, fast erleichtert.

Über drei Kleinkriminelle, welche die falsche Person ausrauben und völlig aus dem Häuschen sind, als rings um sie her plötzlich Menschen sterben. Dieses Mal kommt keiner in den Knast, obwohl der gesunde Menschenverstand sagt, jemand hätte es verdient.

Eine Schwester tötet ihren Bruder - am Ende ist die ganze Familie tot und niemand wandert hinter schwedische Gardinen. Man empfindet nur noch Mitleid.

Zuerst sterben Tiere, dann verschwindet ein Mädchen. Und ein Junge gibt allem eine Zahl und damit eine Bedeutung. Kein Knast, keine Heilung in Sicht.

So seltsam, wie die Auswahl meiner Beschreibungen hier klingen, so seltsam und wortkarg ist auch das Buch, aber es schadet ihm in keinster Weise. Vielleicht könnte man von Schirach vorwerfen, dass er fast nur reiche Menschen verteidigt oder Verbrechen, in denen es um viel Geld geht, aber ich kenne den Mann nicht, so will ich es ihm nicht unterstellen. Ich kann nur sagen, dass ich ... nun, kann man es Vergnügen nennen, wenn es um Mord oder Tod geht? Vielleicht nicht, aber immerhin lässt sich dieses Buch hervorragend lesen.