Rezension

Polizistenmord

Scherbennacht - Nicole Neubauer

Scherbennacht
von Nicole Neubauer

Bewertet mit 5 Sternen

Sandra Benkow (Sunny) verbringt jede freie Minute mit Laufen. Früher war sie Leichtathletik-Juniorenmeisterin, heute ist sie Polizeiobermeisterin und die einzige Frau in der Eliteeinheit „Unterstützungskommando Bayern“ (USK). Grund genug, sich fit zu halten. Nach einem Lauf wollte sie sich auf einem ehemaligen Sportplatz – der heute Schuttabladeplatz einer Baufirma ist - mit jemandem treffen. Ihre Verabredung erscheint leider nicht und außer einem abgestellten PKW und ihr selbst, ist weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Ein parkender PKW aus dessen leicht geöffnetem Fenster leise Musik zu hören ist, ist eigentlich keine große Sache – wäre da nicht die Straße aus Ameisen, die sowohl in als auch aus dem dunkelblauen BMW führt. Mit einem Gefühl, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmt, öffnet Sunny die Autotüre. Im Inneren des Wagens findet sie eine durch Kopfschuss hingerichtete männliche Person.

Ein Fall für die Kripo München.

Knapp 20 Monate nach ihrem letzten Fall „Moorfeuer“ ermitteln KHK Michael Waechter, sein Kollege Hannes Brandl und Kommissarin Elli Schuster wieder.

Bei dem Toten handelt es sich um Kriminalhauptkommissar Leo Thalhammer, 29 Jahre alt, Drogenfahnder beim Rauschgiftdezernat München. Sein Tod wirft einige Fragen auf. Ist Leo einem Drogenboss zu dicht auf die Füße gestiegen, ist auf der Demo vor wenigen Tagen etwas passiert oder hat es mit einem Vorfall zu tun, der schon Jahre zurückliegt? Waechter und sein Team stoßen auf einige Ungereimtheiten und Mauern des Schweigens bei ihren Ermittlungen innerhalb der Polizei.

Um den Fall zu klären, wird Hannes Brandl aus dem Krankenstand zurück in den Dienst beordert. Sein Alleingang im letzten Fall hatte ihn in Lebensgefahr gebracht, er wäre beinahe verbrannt und hatte sich den Arm gebrochen, weswegen er psychisch noch nicht vollkommen auf der Höhe ist um uneingeschränkt dienstfähig zu sein. Sein Vorgesetzter sieht das jedoch anders. Brandl wurde in meiner Rezension zu „Moorfeuer“ schon als „sperriger Typ“ beschrieben und das setzt sich in diesem Buch durchaus fort. Seine private Situation ist aber auch wirklich alles andere als entspannt. Im Gegensatz zum vorherigen Fall macht er hier keine Alleingänge, aber so ganz ohne Katastrophe kommt er trotzdem nicht aus. In diesem Buch kann er bei mir aber tatsächlich einige Sympathiepunkte mehr abstauben als im Vorgängerband.

Michael Waechter, der Leiter der Einsatzgruppe, hat sich seit dem letzten Fall nicht verändert. Sein privates Umfeld ist gleich geblieben, er mag noch immer keine Besucher in seiner Wohnung, teilt sein Leben mit einer Katze namens Katze. Er führt das Team auf seine ganz eigene Art und Weise und ein Lob von ihm ist selten aber wenn, dann kommt es von ganzem Herzen. So lobt er Hannes Brandl mit den Worten "Bist scho a Sauhund, a verreckter …. „

Kommissarin Elli Schuster agiert auch hier wieder eher hinter Waechter und Brandl, aber ich glaube sie ist es, die das Ermittlerteam zusammenhält. Gegenüber Zeugen besitzt sie großes Einfühlungsvermögen und legt oftmals den Finger in die richtige Wunde, um zu einer Aussage zu kommen.

„Der Hüter des Schweigens“, der seinen Namen vollkommen zurecht trägt und „Die Chefin“ sind ebenfalls wichtige Charaktere in diesem Team, sie kommen aber ohne viele Worte aus.

„Scherbennacht“ ist der 3. Band der Autorin Nicole Neubauer, in dem Waechter & Co. auf Spurensuche gehen. Man muss die beiden vorhergehenden Bücher nicht gelesen haben, es empfiehlt sich jedoch die Bücher in Reihenfolge zu lesen; einfach um die Ermittler besser kennen zu lernen und die Hintergründe zu ihren privaten Situationen zu verstehen.

Der Krimi befasst sich natürlich in erster Linie mit dem Mord an Leo Thalhammer und seiner Aufklärung, die Autorin bringt aber auch Themen zur Sprache, bei denen es sich ganz sicher nicht um fiktive Geschehnisse handelt → ungerechtfertigte/überzogene Gewalt von Polizisten gegenüber Zivilpersonen und Gewalt von Polizisten gegen Polizisten, hier insbesondere gegenüber der einzigen weiblichen Polizistin in der Eliteeinheit USK.

Der Schreibstil von Nicole Neubauer ist auch hier wieder gewohnt locker und humorvoll, die Beschreibungen sind sehr bildhaft und entlocken einem ab und an schon mal ein Grinsen.

„Er holte seine Aufmerksamkeit zurück in den gebärmutterartigen Keller...“ (S. 12)

oder

„Er trank einen Schluck Kaffee und wusste, er würde nie wieder schlafen“ (S. 36)

Der Täter bleibt bis fast zum Ende des Buches im Dunkel verborgen und mit dem „Wer“ und „warum“ hat die Autorin mich tatsächlich überraschen können. Zu keiner Zeit hatte ich diese Person auch nur ansatzweise in Verdacht.

Das ist die Art Krimi, die ich mag – spannend aber nicht allzu blutig. Ich freue mich schon auf den nächsten Fall von Michael Waechter und seinen Kollegen.