Rezension

Popcorn-Fantasy zum Weginhalieren

Die Traumknüpfer - Carolin Wahl

Die Traumknüpfer
von Carolin Wahl

Die Welt der vier Jahreszeiten - eine Fantasywelt, in der die Jahreszeiten jeweils Pate für eine Land und ein Volk stehen. Dieses Idyll wird zusammen gehalten durch einen Traum, der von der Traumknüpferin Udinaa geknüpft ist. Sollte sie erweckt werden, bricht der Frieden in der Jahreswelten zusammen und es gibt Krieg. Genau dies passiert, und verschiedene Parteien versuchen, aus den magischen Traumsplittern mächtiges Kapital zu schlagen, um die Herrschaft über alle vier Kontinente zu erlangen. Mitten unter ihnen: die wenigen überlebenden Angehörigen des Verlorenen Volkes, einer Spezies von Halbgöttern, die auch ohne Traumsplitter die Macht über Träume haben und weltenwandeln können. An ihnen, dem Wintermädchen Naviia und dem Thronfolger der Sommerlande Kanaael, liegt es, die Welt vor dem Abgrund zu retten.

Meine Freude war groß, als ich feststellte, dass Carolin Wahl mit ihrem Fantasy-Debüt eine opulenten Einzelband vorgelegt hat. Zu oft sind mir inzwischen Trilogien untergekommen, die künstlich auf drei Bände aufgebläht sind und entsprechend viele Längen enthalten. So ließ ich mich gerne auf die Welt der vier Jahreszeiten und ihre Bewohner ein, wohl wissend, dass nach 700 Seiten Schluß ist. 

Die Einführung in diese neue Fantasywelt ist der Autorin wunderbar gelungen. Das Spiel mit den Kontrasten zwischen den einzelnen Ländern und Völkern funktioniert dank einer ausgefeilten Beschreibung von Landschaften und auch Charakteren. Ich war sofort mittendrin und genoss die schillernde Atmosphäre; das magische Konzept des Traumtrinkens und Weltenwandelns überzeugte mich augenblicklich, und auch der Handlungsfaden erschien mir ausgeklügelt und durchdacht.

Leider ergaben sich genau an diesem Punkt die ersten Unzulänglichkeiten; manche Entwicklungen wurden mir gar zu schnell abgehakt und es blieben einige Fragezeichen. Als dann im letzten Drittel die Handlung sehr kriegs- und schlachtenlastig wurde, ging der ausgeprägte Wohlfühlfaktor verloren und ich war die vielen blutigen Szenen sehr schnell leid. Mit der Auflösung war ich trotzdem zufrieden, gut wie die Autorin die Geschichte enden lässt. Trotzdem fragte ich mich am Ende, ob ein wenig mehr Raum dem Roman nicht doch gut getan hätte - was dann wiederum doch gegen den Einzelband spricht. Ich bin nach der Lektüre in diesem Punkt nun etwas zwiegespalten.

Die Figuren fand ich allesamt toll ausgearbeitet; die Hauptfiguren bekommen zwangsläufig etwas mehr Tiefe als die Nebenfiguren, aber auch die konnten mich vollauf überzeugen. Schön ist auch hier der Kontrast zwischen den Jahreszeiten dargestellt; das Wintermädchen Naviia hab ich dabei besonders ins Herz geschlossen, aber auch der Sommerprinz Kanaael und Wolkenlied haben mich angesichts ihres Schicksals sehr bewegt. 

In sprachlicher Hinsicht bedient sich Carolin Wahl einer bildhaften und oft poetischen Sprache, die schön zu lesen ist, aber auch keine stilistischen Höhepunkte bietet. Insgesamt gesehen handelt es sich bei "Die Traumknüpfer" um Popcorn-Fantasy zum Weginhalieren - ein gelungenes Debüt, wenn auch noch einiges an Luft nach oben ist. Ich habe das Buch sehr genossen und empfehle es gerne an alle FantasyleserInnen weiter, die ein mitreissendes und umkompliziertes Lesevergnügen suchen.