Rezension

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Poznanski - immer wieder gut!

Saeculum - Ursula Poznanski

Saeculum
von Ursula Poznanski

Saeculum - Jahrhundert. In diesem Fall das vierzehnte: Eine Gruppe Jugendlicher und junger Erwachsener lässt für einige Tage das Mittelalter wieder aufleben. In einem abgelegenen Wald versetzen sie sich für fünf Tage in die Rollen von Ritter, Heiler, Wilderer - mit passender "Gewandung" und Sprache, ohne Strom, Notfallmedizin und sonstiger Absicherung.

So etwas wäre normalerweise nichts für Bastian, den zielstrebigen Medizinstudentin, aber es ist vielleicht eine Möglichkeit, Sandra näher zu kommen. Doch die verhält sich plötzlich abweisend, und die Naturromantik wird schnell von der anstrengenden Realität abgelöst. Dazu kommen düstere Vorahnungen, die eine Teilnehmerin heraufbeschwört: Um die Gegend rankt sich eine alte Sage, der zufolge die Eindringlinge verflucht sind und in sich in Lebensgefahr befinden.

Bedrohliche Zwischenfälle häufen sich. Nach und nach verschwinden drei Teilnehmer spurlos. Die Vorräte verderben, Krankheit und ein schwerer Unfall treten auf. Das Rollenspiel muss abgebrochen werden, doch der Weg zurück in die Zivilisation ist versperrt. Die Lage wird immer bedrohlicher. Immer mehr Gruppenmitglieder verfallen den mystischen Deutungen, bis schließlich die Mehrheit dem Fluch glaubt. Da gibt es nur noch eine einzige Rettung: Jemand muss geopfert werden, und das ist Bastian...

Wie in ihrem ersten Jugendbuch "Erebos" gelingt es auch hier der Autorin Ursula Poznanski, den Leser in den Bann zu schlagen. Eine packende Handlung mit vielen überraschenden Wendungen sorgt für ein hohes Spannungsniveau. Die Charaktere sind überzeugend dargestellt; sie sind nicht eindimensional und entwickeln sich weiter. Sehr ansprechend ist auch das Layout: Das Titelbild ist ganz in Schwarz-Weiß gehalten; kahle Äste ragen von allen Seiten ins Bild und in der Mitte steht der Titel "Saeculum" in altertümlicher Prägeschrift hervorgehoben. Der schwarze Buchschnitt verstärkt den düsteren Eindruck und passt zum Inhalt. Einzelne schwarze Seiten mit weißer Schrift, die die verschiedenen Teile des Buches trennen, geben Gespräche wieder, jedoch ohne Informationen über die Situation und die Sprecher. Auch sie steigern die Spannung, da eine Einordnung erst später möglich ist.

Parallelen zu "Erebos" finden sich zahlreich: Auch hier vermischen sich Realität und Fiktion. Vergeltung für erlittenes Unrecht ist das Ziel der Handlung. Dem "Drahtzieher" gelingt es, die anderen zu manipulieren, ohne dass diese es bemerken. Für den Einzelnen stellen sich viele Fragen: Wie kann man seinen gesunden Menschenverstand in einer unerklärlichen Situation behalten? Wie kann man sich gegen den Druck einer ganzen Gruppe behaupten? Wozu ist man bereit, wenn es um das eigene Überleben geht? Ist es richtig, dass das Gemeinwohl über dem Leben eines Einzelnen steht?

Inzwischen gibt es von Ursula Poznanski die Trilogie um Ria aus den Sphären, die mich ganz besonders gefesselt hat. Eine Autorin, von der ich jede Neuerscheinung mit hohen Erwartungen lesen werde!