Rezension

Prasselnde Männer und wacklige Finger

Die Heimsuchung von Grayson Manor - Cheryl Bradshaw

Die Heimsuchung von Grayson Manor
von Cheryl Bradshaw

Bewertet mit 2 Sternen

Der Klappentext klingt nach wohliger Gänsehaut: ein geerbtes altes Landgut, ein düsteres Familiengeheimnis... Dazu kommt noch eine Protagonistin mit paranormalen Fähigkeiten, und damit sind eigentlich schon die perfekten Zutaten für eine tolle Geistergeschichte mit ganz viel Atmosphäre gegeben. Das Potential ist da, keine Frage, aber leider konnte "Grayson Manor" mich nicht in seinen Bann ziehen, zu meiner großen Enttäuschung. 

Die Geschichte kam mir in einigen Elementen bereits nach wenigen Kapiteln sehr vorhersehbar vor. Manches davon fand ich zunächst verzeihlich, da es nun mal zu einer klassischen Geistergeschichte dazugehört: natürlich ertönen des Nachts schaurige Geräusche, natürlich spielt das einzige verschlossene Zimmer im Haus eine wichtige Rolle, natürlich muss die Protagonistin herausfinden, warum der Geist nicht ins Licht gehen kann. Aber hier passiert einfach zuviel, was man so oder so ähnlich schon aus anderen Geistergeschichten kennt, und zu wenig, was die Geschichte darüber hinaus außergewöhnlich machen würde. 

Spannung oder Grusel wollten sich da nicht so richtig einstellen, und auch die Atmosphäre kam bei mir nur selten wirklich an, was allerdings zum großen Teil sicher an der Übersetzung liegt. (Dazu gleich noch mehr.) 

Vieles ging mir schlichtweg zu glatt: Addison stößt in ihren Ermittlungen nur selten auf Hindernisse, die sich nicht relativ schnell überwinden lassen, zum Teil mithilfe von schieren Zufällen. In der zweiten Hälfte des Buches gibt es zwar ein paar nette unerwartete Wendungen, die tatsächliche Auflösung ließ mich indes etwas unbefriedigt zurück, denn hier klären sich die Dinge weniger auf, weil Addison so gut ermittelt hätte, sondern mehr, weil ihr von anderen erzählt wird, was passiert ist.

Wenn man das Ganze nur als Kriminalfall betrachtet und die Geistergeschichte mal außer acht lässt, dann finde ich die Auflösung gar nicht mal so schlecht, wenn auch ein bisschen unspektakulär. Das Ende der paranormalen Handlung wirkte auf mich hingegen übertrieben und klischeehaft. 

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen vor allem Addison, der Handwerker Luke, der das Landgut renovieren soll, und die "Heimsuchung", wobei ich über deren Identität noch nichts verraten möchte. 

Mir waren Luke und Addison zwar nicht unsympathisch, aber wirklich warm bin ich mit ihnen ebenso wenig geworden. Vor allem fehlte mir das Gefühl, dass sie sich glaubhaft weiterentwickeln, und ihre Bekanntschaft entwickelt sich in meinen Augen ein wenig zu sprunghaft. Im Großen und Ganzen kamen mir die Charaktere eher blass vor, und Addisons Verhalten konnte ich nicht immer nachvollziehen. Ihr Verhalten ändert sich oft sehr schnell, ohne einen für mich nachvollziehbaren Wandel von einem zum anderen. 

Nach einer Leseprobe des englischen Originals würde ich sagen, dass der Schreibstil sich gut und flüssig liest, wenn auch manchmal mehr wie ein Jugendbuch als ein Roman für Erwachsene. Im Deutschen finde ich es sehr schwer, den Schreibstil zu bewerten, weil die Übersetzung, ich kann es nicht anders sagen, katastrophal ist.

Nachdem mir zahlreiche Sätze ins Auge fielen, da sie sich sehr merkwürdig und holprig lasen, habe ich angefangen, diese Passagen mit dem englischen Original zu vergleichen (Google Books macht's möglich) und dabei festgestellt, dass diese Sätze oft beinahe wortwörtlich übersetzt wurden, obwohl es Phasen und Ausdrücke in dieser Form im Deutschen gar nicht nicht gibt.

Da werden Türknäufe "weggebaut" und Addison wird auf eine Tür "zugewinkt"... 

Über die Männer im Leben eines Charakters wird gesagt: "sie prasselten auf sie ein".
Im Original: "they beat down her door" , sinngemäß "sie rannten ihr die Tür ein". 

"Seine Arroganz hing in der Luft wie ein heftiges Puffen von Zigarrenrauch."
Im Original: "His arrogance clung to the air like a hefty puff of cigar smoke", was in etwa bedeutet: "Seine Arroganz hing in der Luft wie eine dichte Wolke Zigarrenrauch."

"Sie löste ihre Hand vom Bettpfosten und ließ einen wackligen Finger durch die Luft gleiten. Ihr Finger verfestigte sich, sobald er sein Ziel fand, und hörte auf zu wackeln." 
Im Original: "She released her hand from the bed post, sweeping an unstable finger through the air. Her finger steadied once it found its target and the movement stopped." Wie ich es übersetzen würde: "Sie löste ihre Hand vom Bettpfosten und fuhr mit einen unsicheren Finger durch die Luft. Ihr Finger kam zur Ruhe, als er sein Ziel fand, und die Bewegung endete."

Fazit:
Versprochen hatte ich mir von diesem Buch eine angenehm gruselige Geistergeschichte, aber Grusel oder Spannung kamen bei mir nur selten auf. Hier werden viele Elemente, die man aus Geistergeschichten eben so kennt, abgehandelt, dabei mangelt es der Erzählung jedoch meines Erachtens an Atmosphäre, und auch die Charaktere wirkten auf mich leider farblos. Das Ende konnte mich ebenfalls nur halbwegs überzeugen.

Das größte Manko ist für meine Begriffe jedoch die Übersetzung, die Sätze oft beinahe wortwörtlich ins Deutsche überträgt, was einfach nicht immer funktioniert.