Rezension

Prickelnder Genremix, aus dem man noch mehr hätte rausholen können

Blutpsalm - Meredith Winter

Blutpsalm
von Meredith Winter

Bewertet mit 3 Sternen

Inhalt

Sommerburg ist ein beschaulicher kleiner Ort, in der jeder Mensch jeden gut zu kennen und es keine Geheimnisse zu geben scheint. Bis eines Tages eine Mordserie den Ort erschüttert und sich der junge Pastor in eine Prostituierte verliebt, die mit den Taten in Verbindung zu stehen scheint.

Meinung

Ich lese wirklich wirklich selten Krimis oder Thriller, aber die Autorin schrieb mir so eine nette Mail, dass ich mich dann doch entschied, "Blutpsalm" zu lesen und hier vorzustellen. 

Auf goodreads wird das Ganze als Liebeskrimi bezeichnet, der Autorin zufolge schreibt sie in den Genres Ladythriller bzw. Romantic Suspense. Wie auch immer man es nun nennen möchte - aus den Bezeichnungen geht auf jeden Fall hervor, dass es sich bei "Blutpsalm" zur Hälfte um einen Liebesroman, zur Hälfte um eine Geschichte über eine Mordserie handelt. Diese Mischung reizte mich, weil ich mir von der Thriller- bzw. Krimihandlung erhoffte, dass sie ein Abdriften der Liebesgeschichte in Kitsch verhindern würde und von der Liebesgeschichte, dass das Buch trotz der grausamen Morde, um die es geht, noch etwas fürs Herz bieten würde. Außerdem interessiere ich mich sehr für Geschichten über Serienmorde.

Vielversprechend ist auch das Setting des Romans. In der Anonymität der Großstadt morden ist eine Sache, aber in einer eingeschworenen Dorfgemeinschaft - das weckt spanende Dynamiken, vor allem, wenn sich dann jemand entgegen der ungeschriebenen Dorfgesetze verhält und somit Misstrauen auf sich lenkt. Oder wenn die Person, die in Wahrheit schuldig ist, gar nicht erst verdächtigt wird. Genau so passiert es auch in Sommerburg, was ich sehr spannend fand.

Ebenfalls gelungen ist die Verstrickung der beiden Hauptfiguren - dem Pastor Jonathan und der Prostituierten Marlene -, die keine typischen Krimi-Ermittler*innen sind, ja, mit den Ermittlungen eigentlich gar nichts zu tun haben, in die Ereignisse, da in einem so kleinen Ort alle Menschen irgendwie miteinander verbunden sind. Und nicht zuletzt, da die ermordeten Männer allesamt Marlenes Kunden waren. Die Autorin versteht es, einen lange Zeit über die Identität der mordenden Person im Dunkeln, einen aber auch stets um die Hauptfiguren fürchten zu lassen, nicht zuletzt durch etliche gruselige Andeutungen. Überrascht hat mich zunächst, dass sie das Geheimnis dann etwa in der Mitte des Buches selbst lüftet. Zunächst befürchtete ich, dass das dem Buch die Spannung nehmen würde, aber es entwickelt sich daraufhin eine ganz andere, ebenso perfide Dynamik zwischen den Figuren, die ebenfalls spannend ist. Insgesamt hatte ich das Bedürfnis, das Buch am Stück durchzulesen, da der Spannungsbogen sehr gelungen war.

Was man der Autorin ebenfalls lassen muss: Erotische Szenen schreiben liegt ihr. Dazu sollte allerdings auch erwähnt sein, dass gefühlt die Hälfte des Buches aus ebensolchen Szenen besteht. Das ist per se nichts Schlechtes, jedoch nicht das, was ich von "Romantic Suspense" erwartet hätte, da Erotik für mich nicht zwangsläufig gleichbedeutend ist mit Liebe/Romantik und ich mir zu  Teil etwas weniger Intimitäten und etwas mehr Handlung gewünscht hätte.

Etwas enttäuscht war ich davon, wie schnell die Beziehung zwischen Jonathan und Marlene sich entwickelt, vor allem deshalb, weil beide zuvor so dargestellt wurden, als wären sie überhaupt nicht der Typ für eine solche Beziehung. Die Vorstellung, dass zwei auf ihre Art kaputte Menschen zueinanderfinden und einander Halt geben, ist zwar romantisch, hätte aber durchaus mehr Zeit einnehmen können als eine knappe Woche/50 Seiten. Das hätte die Figuren und ihre Gefühle um ein Vielfaches authentischer erscheinen lassen, beispielsweise die Tatsache, dass Jonathan, bis zur Hochzeit nicht einmal eine Frau küssen wollte, auf einmal mit einer rummacht und alle seine Prinzipien bricht. Durch die Hektik, die das Buch besonders am Anfang aufweist, habe ich manchmal nicht verstanden, wieso Jonathan, der in seinem Leben doch vielen Frauen begegnet sein muss, sich ausgerechnet von Marlene so aus der Fassung bringen lässt. Allgemein hätten dem Roman gute 100 Seiten mehr meiner Meinung nach gutgetan, um viele Entwicklungen verständlicher und realistischer zu gestalten, denn Potential haben die beiden Figuren, vor allem Jonathan mit seiner interessanten Vergangenheit.  Etwas genervt war ich auch von dem ständigen Hin und Her zwischen den beiden, das vielleicht ebenfalls authentischer gewirkt hätte, wenn man etwas mehr Einblick in ihre Leben und ihre Persönlichkeiten bekommen hätte und nicht alles innerhalb weniger Wochen spielen würde.

Dem Teil der Handlung, der sich mit den Serienmorden beschäftigt, hätte meiner Ansicht nach auch ein Einblick in die Ermittlungen gutgetan. Zwar sind die beiden Hauptfiguren daran nicht beteiligt, doch da die Autorin in der Erzählweise mitunter auch aus der Sicht von Nebenfiguren erzählt, wäre es durchaus machbar gewesen, ein wenig über die Polizeiarbeit zu berichten. Den Fall klären Jonathan und Marlene mehr oder weniger absichtlich auf, da sie mit reingezogene werden, aber war die Polizei noch nicht auf einen Zusammenhang zwischen den Morden gekommen? Immerhin war an den Leichen dieselbe Visitenkarte gefunden worden. Konnte anhand der Tötungsart (z.B. Einstichwinkel, Waffe, die Tatsache, dass keine Abwehrverletzungen existierten) kein Profil erstellt werden? Suchte niemand nach Verbindungen zwischen den Opfern? Über all das erfährt man gar nichts, was ich ein bisschen schade fand. Zumal die Begründung, die die Polizei am Ende für die langsamen Ermittlungen gibt, nicht sehr glaubhaft ist. Auch hier hätte ich mir von dem Buch einfach ein paar Seiten mehr gewünscht.

Allgemein leidet auch "Blutpsalm" wieder darunter, dass man es mir mit Serienmorden nur sehr schwer recht machen kann, da ich mich bereits viel damit befasst habe. Deshalb sind die folgenden Kritikpunkte wohlmöglich nur ein sehr spezielles Problem von mir. Die Tötungsart und die Serienmorde an sich passten, wenn man sich verurteilte (Serien-)Mörder*innen und die forensischen Analysen zu Vorgehen und Motiven anguckt, nicht zu der Person, die letztendlich als schuldig offenbart wurde. Auch der angegebene der Grund für die Taten kam mir eher wie eine billige Lösung vor und könnte zudem zu einer weiteren Stigmatisierung der Personen führen, die von demselben Problem betroffen sind (und - wie übrigens die meisten Betroffenen - keine Menschen töten). Die Motive der Person ließen sich zudem nicht mit ihren Taten vereinbaren und es wurde nur unzureichend erklärt, wie sie das für sich tut. Außerdem scheint sie die magische Angewohnheit zu besitzen, durch Wände zu gehen. Zumindest betritt sie ab und an mal Häuser, ohne dass erklärt wird, wie sie hereingekommen ist, was vermutlich den Gruselfaktor stärken soll. Auch wie sie die angeblich so gut geheimgehaltene Liste von Marlenes Freiern in die Finger bekommen hat, um diese systematisch zu ermorden, wird nicht erklärt. Irritiert war ich ebenfalls davon, wie oft betont wurde, wie hässlich und unattraktiv die Person sei, da sich mir der Zusammenhang zu ihren Morden nicht erschlossen hat.

Fazit

"Blutpsalm" mischt mit Thriller und Liebesroman auf interessante Weise zwei Genres, die ich zunächst für unvereinbar gehalten hätte. Die Dynamik einer eingeschworenen Dorfgemeinschaft, in der es plötzlich zu Morden kommt, war als Setting eine gute Wahl und sehr spannend, ebenso wie der Hauptcharakter durchaus Potenzial hat. Allerdings hätte ich mir für das Buch mehr Seiten gewünscht, da es mir an Informationen über die Ermittlungen fehlte und sich die Beziehung der Hauptfiguren in meinen Augen viel zu schnell entwickelte. Auch die Auflösung der Thriller-Handlung konnte mich nicht wirklich überzeugen und man sollte darauf gefasst sein, dass vor allem intimen Momenten zwischen den Hauptfiguren sehr viel Zeit gewidmet wird - wenn auch auf gelungene Weise.

Empfehlenswert? Wenn man auf Erotik mit einer Prise Mord steht