Rezension

Problematische Facetten der Lebensgestaltung, leicht lesbar verpackt

Kleine Feuer überall
von Celeste Ng

Bewertet mit 5 Sternen

Leicht und kurzweilig zu lesen und dennoch voller schwieriger Themen, nicht nur zur Familie, sondern zur Lebensgestaltung überhaupt. Eins ist klar: egal, wie man das Buch findet - es regt zum Nachdenken an.

Die Fülle der Themen wurde mir nicht zu viel, denn sie waren geschickt in die Geschichte zweier Familien eingewebt, die eine wie aus dem Bilderbuch, gut situiert, in geordneten Verhältnissen lebend, mit gut geratenen Kindern und das alles im blitzsauberen Vorzeigeort Shaker Heights. Die andere 'Familie' ist das krasse Gegenteil, eine allein erziehende Mutter, eine Nomadin, künstlerische Fotografin, der Materielles nichts bedeutet und die mit ihrer Tochter nie lange an einem Ort bleibt. Wie nun soll man leben? Muss alles geplant werden und wohl geordnet ablaufen oder ist auch Platz für Spontanes, Unvorhergesehenes?

"Meistens war es doch aber so, dass kein Weg ganz falsch oder ganz richtig war und man sich eher auf einer Gratwanderung befand." (307)

Hinter dem oberflächlich intakten Familienleben der Richardsons steckt einiges an Konfliktstoff. Es ist nicht alles so in Ordnung, wie es auf den ersten Blick scheint.

Zwei sehr gegensätzliche Figuren prallen aufeinander, die zielstrebige Mrs Richardson, die alles in ihrem Leben geplant hat. "Sie war mit Regeln aufgewachsen." (83) Und gerade deshalb ist sie von Mia fasziniert, 'einer vollkommen anderen Frau mit einem vollkommen anderen Lebensstil, die sich ohne Entschuldigungen ihre eigenen Regeln setzte' (83), Mia, die einen 'vagabundierenden, unkonventionellen Lebensstil' pflegt (42).

Eine gewichtige Rolle spielt in diesem Buch das Thema 'Kinder', angefangen von ihrer leichtfertigen, unüberlegten Zeugung über die Frage, ob man abtreiben soll bis hin zur Entscheidung, wo ein Kind besser aufgehoben ist: bei der leiblichen Mutter mit all ihren Problemen oder einer Adoptivmutter, die dem Kind alles Materielle bieten kann. Das wird in vielerlei Varianten thematisiert und durchgespielt, aber eine endgültige Antwort gibt es wohl nicht. Die Autorin webt alle Argumente, die man für und wider eine Adoption aufführen kann, geschickt in die Geschichte ein (Seiten 174, 177). Celeste Ng arbeitet klar heraus, dass und wie man alles von zwei Seiten sehen kann, je nachdem, wessen Position man einnimmt.

Nebenbei bemerkt: wie Celeste Ng Mias Fotokunst beschreibt hat mir ebenso gut gefallen wie die Sprache, die klar und überschaubar ist und hin und wieder einen schönen Satz funkeln lässt: "Am liebsten hätte er sich in die winzigen Schnörkel ihrer Handschrift geschmiegt." (42)

Das Ende mag nicht jedem gefallen, aber es ist ein Buch, das ich gerne gelesen habe und das mich noch lange in Gedanken beschäftigt hat.