Rezension

Provokant, düster, lesenswert

Homo Deus - Yuval Noah Harari

Homo Deus
von Yuval Noah Harari

Bewertet mit 4.5 Sternen

Eine düstere Vision

In 'Homo Deus' stellt der Historiker Yuval Noah Harari eine schwindelerregende Prognose auf: Nachdem der Homo Sapiens globale Risiken wie Naturkatastrophen, Hunger und Kriege, quasi die Plagen der Vergangenheit, unter Kontrolle brachte, steht ihm eine gottgleiche Zukunft im Technologiezeitalter bevor – oder etwa doch nicht? Um die neuen Ziele der Menschheit zu erreichen, wird, laut Harari, alles niedergerissen, bis nur noch die Quintessenz des Homo Deus erhalten bleibt: der 'Dataismus', das Glaubenssystem der Algorithmen.

Selten fiel es mir so schwer, meinen Leseeindruck in Worte zu fassen. Voranstellen möchte ich, dass 'Homo Deus' reine Nahrung zum Nach- und Weiterdenken und zahlreiche Anregungen für Diskussionen bietet, weshalb ich eine klare Leseempfehlung aussprechen möchte. Gleichzeitig möchte ich jedem Leser empfehlen, Hararis Thesen kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls zu überprüfen. Mit einem leicht zugänglichen Schreibstil, der manchmal mit einem flapsigen Tonfall und einer guten Portion Humor einhergeht, argumentiert sich Harari durch die Geschichte und Gegenwart der Menschheit, was ca. Dreiviertel des Buches ausmacht. Mithilfe dieser Vorgehensweise, die notwendig ist, um Hararis abschließenden Prämissen folgen zu können, holt der Autor zunächst einmal weit aus und skizziert erst im letzten Drittel des Buches, welche Entwicklungsstufe die Menschheit als nächstes erklimmen könnte. Hierbei greift der Autor große Themen der Neurologie, Psychologie, Evolutionstheorie, Philosophie und Theologie auf, nimmt kluge Positionen ein, indem er beispielsweise die Gegenwart aus der Sicht des historischen Kontextes betrachtet und mit Gegenüberstellungen arbeitet, und mixt ein interessantes Potpourri aus Fakten, Statistiken und Analysen. Hierbei konnte ich einiges Wissenswertes und mir bislang Unbekanntes entnehmen, wie beispielsweise die Geschichte des gepflegten Rasens oder welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen einer Vampirfledermaus und einem Bankier bestehen.

Indem Harari eigene Definitionen von Begriffen, wie 'Religion' und 'Humanismus', konstruiert und diese dementsprechend konsequent weiterspinnt, hat das Buch großes Potenzial, um zu provozieren, obgleich diese Vorgehensweise letztlich legitim ist, sofern keine allgemein gültigen Definitionen vorliegen. Natürlich legt der Autor diese so aus, damit sie in seine Argumentationsreihe passen und darauf aufbauend seine Schlussfolgerungen ergeben, zwinker. Kritisch anmerken möchte ich, dass Hararis Ausführungen manchmal aus Zusammenfassungen bestehen, die (leider) Ungenauigkeiten mit sich bringen. Trotz der einen oder anderen steilen und streitbaren These folgte ich dem Gedankenexperiment sehr gerne, was unter anderem an der Schreibart, komplizierte Sachverhalte anschaulich zu vermitteln, lag. Auch Hararis Gedankenschärfe ist in einigen Sätzen vorzufinden, was ich sehr beeindruckend fand. Des Weiteren spricht das Buch unbequeme Wahrheiten der Gegenwart an, die zwar bekannt sein dürften, aber ob der komprimierten Härte, da Harari knallhart Fakten präsentiert, umso erschreckender wirken. Obgleich das Buch ohne effektheischenden Alarmismus auskommt, verfehlt es nicht seine Wirkung, die meiner Meinung nach beängstigend, aber wichtig ist, da sich letztlich die Frage aufbäumt, wie wir leben wollen (?).

Was soll ich abschließend noch sagen? - Lest es, stets kritisch, aber lest es, sofern eure Neugierde geweckt wurde.

Kleine Randbemerkung: Angesichts des Informationsdschungels, durch den Harari seinen Leser lotst, war es vermutlich nicht vermeidbar, dieses und jenes abermals zu wiederholen. Um ehrlich zu sein: Mich nervte es mit der Zeit, aber das ist wohl Geschmackssache.