Rezension

Psychologischer Nervenkitzel

Night Falls. Du kannst dich nicht verstecken - Jenny Milchman

Night Falls. Du kannst dich nicht verstecken
von Jenny Milchman

Bewertet mit 5 Sternen

Das Szenario dieses Thrillers kann man fast schon als „Klassiker“ bezeichnen: Eine Familie wird von ausgebrochenen Sträflingen überwältigt, deren weitere Flucht durch einen ebenso plötzlichen wie heftigen Schneesturm ausgebremst wird. Von daher trägt diese atmosphärisch sehr dichte Geschichte über weite Teile kammerspielartige Züge.

Zum Inhalt genügt der Klappentext meine ich, mit weiteren Informationen möchte ich vorsichtig sein, um nicht die Spannung zu nehmen.

An der ein oder anderen Stelle geht es zwar auch mal richtig zur Sache, aber insgesamt überwiegen die psychologischen Spannungsmomente, die für mich besonders in den vielschichtigen Beziehungen der Protagonisten untereinander zum Ausdruck kommen. Inwiefern Sandra mit Nick, einem der beiden Sträflinge, bekannt ist, war für mich relativ schnell abzusehen, denn die diesbezüglichen Hinweise ließen das früh erahnen.

Dessen Kumpel Harlan, ein Schrank von einem Kerl, aber ansonsten nicht der Hellste, war für mich die spannendste Figur. Von Beginn an klar Nicks Marionette, habe ich mich die ganze Zeit gefragt, ob er sich wohl doch noch entwickeln und irgendwie aus Nicks Dominanz lösen wird. Schwer vorstellbar, aber nicht gänzlich ausgeschlossen.

Dass es sich bei Nick um einen ausgesprochenen Soziopathen handelt, wird schnell deutlich. Rückblenden in seine Kindheit und Jugend offenbaren, dass er schon als Kind einen extremen Willen erkennen ließ. Diese rückblickenden Kapitel fand ich besonders beklemmend, wie oft wollte ich der Mutter ein „NEEEIIIN, wie kannst du nur“ entgegen schreien. Ihre Verdrängungsmechanismen machten mir Angst, extrem gruselig, dieser schleichende, aber unaufhaltsame Fortgang. Schrecklich, was kranke, fehlgeleitete Liebe für Folgen haben kann.

Einiges ist vorhersehbar, manches überraschend, das hält sich ganz gut die Waage, auch ihre spannungserzeugenden Stilmittel setzt die Autorin ausgewogen ein.

Viel „Psycho“, ausreichend „Thrill“, ein bisschen plakativ an manchen Stellen, eben amerikanisch (subtil und amerikanisch geht nur selten zusammen), aber sehr spannend gemacht und auch gut erzählt.

Für mich ein Pageturner mit ordentlich Nervenkitzel.

Gerne hätte ich 4,5 Sterne gegeben, aber da das nicht geht, runde ich auf 5 Sterne auf.

Das Cover finde ich ok, nicht wirklich "besonders", obwohl es durchaus ein leises Gefühl von Bedrohung vermittelt und insgesamt gut zur Geschichte passt.