Rezension

Punktabzug für das Ende - ansonsten ein unterhaltsames Buch

Er liebt sie nicht - Sharon Bolton

Er liebt sie nicht
von Sharon Bolton

Bewertet mit 3 Sternen

Sharon Boltons „Er liebt sie nicht“ zählt zu der Art Mysterythriller, die auf eine nahezu unblutige Weise fesseln können. Miträtseln ist hier ausdrücklich erwünscht. Allerdings muss man sich dafür auf äußerst sonderbare Charaktere einlassen, denen man als Leser trotzdem nicht wirklich nahe kommt. Das ist aber beabsichtigt und Teil des Plans.

Im Einzelnen hätten wir da:
- Maggie Rose, blauhaarige Starstrafverteidigerin und Bestsellerautorin von True-Crime-Storys, die darauf spezialisiert ist, Serienkiller aus dem Gefängnis zu holen
- Hamish Wolfe, ein charismatischer Womanizer und Arzt, der seit zwei Jahren für den Mord an drei Frauen einsitzt und sich von Maggie Rose Hilfe erhofft
- sowie Detective Pete Weston, der Wolfe hinter Gitter gebracht und ein persönliches Interesse daran hat, dass alles so bleibt, wie es ist. Sprich: Wolfe hinter Gittern.

Im Grunde besteht die Geschichte hauptsächlich aus wiederkehrenden Aufeinandertreffen der Protagonisten, von denen man - wie so oft in dem Genre - nicht zuviel erwarten sollte. Sie sind dazu da, der Handlung die nötige Würze und nicht unbedingt auffallende Tiefe zu verleihen. Mir hat die Atmosphäre in dem Buch aber so gut gefallen, dass ich mich daran auch überhaupt nicht gestört habe. Der ruhige, aber durchgängige Suspensefaktor hat mich wunderbar durch die Seiten getragen. Die Charaktere agieren verschlossen, misstrauisch, teilweise manipulativ - keine Sympathieträger, aber sie regen die grauen Zellen an. Schnell wird klar: Alle haben ihre Geheimnisse. Die Frage ist: Welche Geheimnisse sind entscheidend für die Auflösung? 

Sharon Bolton spielt auf Zeit und gibt Details nur sehr langsam preis, schreibt aber so unterhaltsam und variierend, dass sich das Buch wegliest wie nichts. So beinhalten einige Kapitel E-Mails, Briefe und Aktenvermerke, die zusätzlich für Abwechslung im Lesefluss sorgen. Ganz langsam fügen sich die Puzzleteile auf diese Weise zusammen. Allerdings sollte man auf der Hut sein, denn es gibt ein paar gemeine Stolpersteine.

Somit kommen wir zu dem Teil des Buches, der mir ein wenig Kopfschmerzen bereitet - der Auflösung. Wobei das Ganze etwas kniffelig ist. Denn ohne den Knalleffekt am Ende, wäre der Teil davor auch nicht denkbar, der mir ja wiederum gut gefallen hat. Im Grunde mag ich den Mechanismus der Auflösung sogar, denn er funktioniert ähnlich wie ein Taschenspielertrick. Wenn man sich das Ganze allerdings genauer betrachtet, ergibt vieles hinten und vorne wirklich keinen Sinn mehr und sowas stört mich immer enorm. Daher war die Enttäuschung bei mir ziemlich groß. Ganz konkret habe ich mich auch über ein, zwei Szenen geärgert, in denen die Autorin bewusst (rückblickend aber leider etwas plump) Täuschungsmanöver einbaut. Ein wenig mehr Fingerspitzengefühl im Sinne des miträtselnden Lesers wäre da schön gewesen.

Fazit: Wer Freude an ruhigen, psychologischen Thrillern hat, es mit der Logik nicht ganz so eng sieht und Auflösungen mit Knalleffekt mag, dem würde ich einen Blick in „Er liebt sie nicht“ empfehlen, denn die unergründlichen Charaktere laden wunderbar zum Miträtseln ein und sorgen für viel geheimnisumwobene Spannung. Andere Leser waren im Gegensatz zu mir vom Ende ausgesprochen begeistert, so dass dieser Kritikpunkt für mich in die Rubrik "Geschmackssache" fällt.