Rezension

Purer Existentialismus

Der Fremde - Albert Camus

Der Fremde
von Albert Camus

Bewertet mit 3.5 Sternen

Da ich von Camus weder in der Schule noch im Studium je etwas gelesen habe, wurde es Zeit mal einen Blick in diesen Klassiker zu werfen. Beim Stil von Der Fremde fallen die kurzen Sätze ins Auge. Das wirkt etwas abgehackt, ist aber gut lesbar. Der Stil passt auf jeden Fall zum Hauptcharakter Mersault. Der ist nämlich ziemlich emotionslos und sehr auf seine Grundbedürfnisse fixiert. Seine Gedanken drehen sich fast ausschließlich um Hunger, Müdigkeit ober ob ihn eine Situation anstrengt oder behagt. Da er seine Gefühle aber auch genauso kommuniziert, ist er nicht wirklich unsympathisch. Ihm ist einfach alles egal. Das heißt, er fügt sich in jede Situation, nimmt alles wie es kommt. Eine Meinung – auch zu essentiellen Themen wie Tod oder Liebe – hat er nicht. Man könnte auch sagen, er lebt einfach vor sich hin - was ja sein gutes Recht ist.

Im ersten Teil des Buches hat mir die Sprache ausgesprochen gut gefallen. Sonnenstrahlen, Hitze und Meer sind sehr eindringlich und metaphorisch geschildert. Die tollen Beschreibungen bilden einen schönen Kontrast zur sonstigen egal-Einstellung des Ich-Erzählers:

Auf dem Strand hechelte das Meer mit den schnellen, erstickten Atemzügen seiner kleinen Wellen.

Aber die Hitze war so groß, dass es auch qualvoll war, unter dem blendenden Regen, der vom Himmel fiel, stillzustehen.

Im zweiten Teil fällt das Bildhafte dann weg und Camus verlegt sich mehr auf existentialistische Gedankengänge und Diskussionen. Nach dem Lesen dieses Buches habe ich definitiv Lust bekommen, mich näher mit dem Umständen seiner Entstehung und mit dem Existenzialismus zu beschäftigen. Ich hätte hier sogar einen Lektüreschlüssel oder ähnliches toll gefunden, weil gerade im zweiten Teil einfach so viel drinsteckt, was man als Laie kaum erfassen und verstehen kann. Das ist allerdings auch mein Kritikpunkt: Ich hatte am Ende das Gefühl nur mindestens die Hälfte von dem verstanden zu haben, was tatsächlich im Text steckt. Das ließ mich dann etwas in der Luft hängen. Ich würde mich aber – allein wegen der tollen Sprache Camus' – gerne noch an einem weiteren seiner Romane versuchen.

Kommentare

lindabraus kommentierte am 14. April 2017 um 21:40

Hey, was für ein brillanter Posten, auf den ich gekommen bin, glauben Sie mir, dass ich nach dieser Woche nach dieser Art von Post gesucht habe und kaum darauf gekommen bin. Vielen Dank und sucht noch mehr Beiträge von Ihnen. download software
 

LySch kommentierte am 18. April 2017 um 17:13

Ich habe das Buch fürs Franz-Abi lesen müssen und fand es auch ziemlich schwierig zu verstehen, v.a. den zweiten Teil! Ein Lektüre-Schlüssel hat mir damals echt ziemlich geholfen, weil es einfach spannend war, die Hintergründe und Motive/ Metaphern Camus zu verstehen!