Rezension

Realistische, spannede und intelligente Unterhaltung

Berlin Requiem - Peter Huth

Berlin Requiem
von Peter Huth

Bewertet mit 5 Sternen

In Berlin ist ein rätselhafter Virus ausgebrochen, bei dem die Infizierten zuerst ein ein Koma fallen. Wenn sie wieder erwachen, haben sie einen zwanghaften Instinkt und die Aggression jeden anderen Menschen anzufallen. Da dieser Virus seinen Ursprung in den Vierteln Neukölln und Kreuzberg hat, sind schnell in den Berichte im Umlauf, die die Bevölkerung verunsichern. Es scheint als wenn nur Menschen mit Migrationshintergrund für diesen Virus anfällig sind. Das betroffene Gebiet wird sofort durch eine neu errichtete Mauer abgeriegelt, und nichts und niemand darf hinein oder heraus. Es wird der Ausnahmezustand verhängt. Alles soll nur zum Schutz vor der Seuche sein, doch ist dies die Wahrheit, oder steckt mehr dahinter? Und reicht es aus, oder wird bald ganz Deutschland und die ganze Welt unter diesem Virus leiden? Befällt er wirklich nur Menschen mit Migrationshintergrund? Was ist Wahrheit und was ist Propaganda? Mitten drin der Journalist Robert Truhs, dem Material zugespielt wird, dass an den Aussagen von Sentheim nichts wahres dran ist. Der Innenminister Sentheim versucht die Bevölkerung zu beruhigen, in dem er behauptet, dass nur Menschen mit dem "Türken-Gen" für die Seuche anfällig sind. Seine Anhänger, die schon sein Buch "Debatte Deutschland" verschlungen haben, stehen hinter ihm. Doch was wird aus Robert, und dem Material das er zu gespielt bekommen hat, und was ist mit seiner Kollegin Sarah, die durch Geheimgänge nach Kreuzberg eindringt. Sie möchte nach 20 Jahren ihre Familie wiedersehen. Wie wird es enden, mit den politischen Intrigen und Verwicklungen?

Robert Truhs ist Journalist und stolz auf seinen Erfolg den er vor einiger Zeit hatte. Doch jetzt scheint dieser nachzulassen und seine Zeit als großer Reporter abzulaufen. Er wirkt egoistisch und ausgebrannt, und steckt in einer Sinnkrise. Ob er weiterhin sein Leben so egoistisch verbringen kann und will, wie momentan, sich keine Gedanken über die Konsequenzen seines journalistischen Handelns zu machen, ohne Rücksicht auf die Opfer auf seinem Karriereweg.

Sarah Samir, Roberts Kollegin und ein Kind zweier Nationen. Doch ist sie mehr als nur Roberts Kollegin, sehr viel mehr, doch leider wollen sich die beiden dies nicht eingestehen. Und so haben sie immer wieder seit ihrer Jugendzeit kurze Affären und Beziehungen miteinander. Zudem ihre Kindheit und ihre Vergangenheit sie auch noch zusätzlich belastet, gerade jetzt wo dieser Virus ausgebrochen ist. Für sie stellt sich die Frage, ob sie anfällig ist.

Christian von Possen ist Roberts Chef. Doch auch diese Beiden kennen sich schon sehr lange. Es verbindet sie beide eine Hassliebe, aber auch die Liebe zu Sarah. Er kennt keine Grenzen und geht über Leichen um eine Lawine im Namen der Wahrheit los treten zu können. Auch vor Roberts Karriere und seinen guten Namen macht er nicht halt.

Olaf von Sentheim, Buchautor und Sentaor Berlins. Eigentlich ist er schon wegen eines Skandals auf dem absteigenden Ast und dabei seinen Posten zu verlieren. Doch gibt er nicht auf, den der Ausbruch der Krankheit gibt ihm die Chance zu einem neuerlichen politischen Höhenflug mithilfe seiner Anhänger. Doch ist er wirklich derjenige, der den Ton angibt, oder wieder nur eine Marionette die zum Sündenbock gemacht wird?

In der Handlung tauchen viele verschiedene, vielschichtige Charaktere auf, die der Leser auf ihren Wegen und bei ihren Erlebnissen begleitet. Sie wirken ein klein wenig klischeehaft und holzartig, verbirgt sich doch hinter ihnen unberechenbare Protagonisten, die teils vorhersehbar und teils unvorhersehbar handeln. Alle haben im Laufe der Handlung mit ihrer Vergangenheit zu kämpfen, und sich mit ihrer Gegenwart und der möglichen Zukunft zu befassen. Sie müssen Entscheidungen treffen, die nicht einfach sind und manchmal auch nicht nachvollziehbar im ersten Moment. Es gibt auch noch viele weitere Nebencharaktere die im Verlaufe der Handlung auftauchen und wieder verschwinden. Klare Linien zwischen Gut und Böse, oder Gewinnern und Verlieren sucht man hier vergebens, diese gibt es nicht, da jeder irgendetwas auf seine Art verliert, sei es sein Ansehen, sei es Freunde, Familie oder ganz andere Dinge.

Das Cover hat gleichzeitig einen geheimnisvolle und düstere Atmosphäre. Es zeigt als Motiv einen Blick über Berlin, mit dem Berliner Fernsehturm, einem Wahrzeichen der Stadt, im Mittelpunkt. Das Foto wirkt wie eine alte Fotografie aus den Zeiten des Kalten Krieges, so um 1945 herum und hat eine etwas triste und traurige Stimmung. Der Himmel wurde durch blaue Farbe, wie mit Aquarellfarbe, hervorgehoben und darüber befindet sich in der Mitte des Covers ein roter Fleck, der an verschmiertes Blut erinnert. Durch die drei geteilte Farbgebung entsteht ein richtiger Eyecatcher, außerdem sind auch ein paar der Gebäude auf dem unten zu sehendem Stadtbild rot markiert. Der Autorenname und der Titel befinden sich in der oberen Hälfte in einem schwarzen Kreis, der leicht erhaben ist. Dadurch fallen sie einem sofort ins Auge. Das Cover passt seht gut zur Handlung des Romans und spiegelt dessen Stimmung wieder, zudem macht es neugierig auf den Inhalt. Auch der Titel ist passend gewählt, so hat doch das Wort Requiem die Bedeutung Totenmesse, bzw. Seelenmesse.

Peter Huth hat einen flüssigen, realistischen, klaren und spannenden Schreibstil. Es fällt einem nicht schwer in die Geschichte einzutauchen und der Handlung zu folgen, sowie auch die Charaktere und ihre seelischen Abgründe kennenzulernen und zu verstehen. Dazu zählen nicht nur die Protagonisten und menschlichen Nebencharaktere, sondern auch die durch den Virus in Zombies verwandelten Menschen. Man bekommt Einblicke in ihre Vergangenheit und sie werden sehr realistisch und lebensnah dargestellt. Immer wieder werden auch Orte und Geschehnisse bildhaft dargestellt, so dass es einem während des Lesens leicht fällt in die Atmopshäre des Geschehens hinein zu finden, auch ohne das immer wieder das Spannungsniveau erhöht wird, möchte man dennoch wissen wie es weiter geht. Statt immer wider den Spannungsbogen zu erhöhen, wird hier subtiler gearbeitet, mit den politischen Machenschaften, der Ausweglosigkeit der gesamten Situation und einem kleine Hoffnungsschimmer. Die düstere und beklemmende Atmosphäre ist geradezu greifbar.

Während man der Handlung folgt, so wird man auch immer wieder an geschichtliche Ereignisse, wie den kalten Krieg, die Judenverfolgung und die Mauer erinnert, die schon einmal Berlin teilte. Man begleitet während der Lazarus-Virus ausbricht, die meiste Zeit den Journalisten, später dann aber auch einige der anderen Charaktere und erlebt so die Geschehnisse aus den unterschiedlichsten Sicht- und Denkweisen. Wer einen gruseligen Zombiethriller erwartet, der hat das kleine Wörtchen "Roman" auf dem Cover übersehen. Die Zombies, die durch den Virus entstehen sind nur die Grundlage für einen Roman mit Thriller Elementen, und könnten jederzeit durch eine andere Seuche ausgetauscht werden. Die Politik und das Geschehen darum herum ist das wichtigere Element und auch das spannendere. Denn man merkt deutlich, wie viel Ahnung der Autor von diesen Dingen hat als Chef-Redakteur bei der BZ. Nachdenklich machen einen die vielen Elemente, die auch an die Vergangenheit der deutschen Geschichte erinnern, wie das der Virus nur Menschen mit Migrationshintergrund befallen soll, aber die Wahrheit verheimlicht wird, oder das eine Mauer Berlin teilt. Die Auflösung um die Herkunft des Virus am Ende ist das Besondere und Überraschende, doch möchte ich nicht vorgreifen und dieses Geheimnis verraten. Erschreckend und nachdenklich machend ist aber auch die Tatsache der im Roman vorhandenen Gutgläubigkeit der Menschen, die den Berichten der Politik und Presse blind vertrauen, das alles unter Kontrolle ist und so dann auch das Unheil seinen Lauf nehmen kann. "Berlin Requiem" ist ein Roman der spannend ist, aber auch nachdenklich macht und viel Raum zum nachdenken bietet über die Gesellschaft. Es fällt einem nicht schwer, sich diesen Virus, oder eine ähnliche Katastrophe in der Realität vor zu stellen. Wenn man keinen blutigen Horror, aber spannende, realistische und intelligente Unterhaltung sucht, kann ich Euch diesen Roman nur empfehlen.

Vielen Dank an den Heyne Verlag für das Rezensionsexemplar