Rezension

Realität oder Einbildung?

The Woman in the Window - Was hat sie wirklich gesehen? - A. J. Finn

The Woman in the Window - Was hat sie wirklich gesehen?
von A. J. Finn

A. J. Finn (Pseudonym) war viele Jahre im Verlagswesen tätig, bevor er mit „The woman in the window“ seinen ersten Roman veröffentlichte. Inspiriert dazu hat ihn zum einen der Erfolg von Paula Hawkins „Girl on the Train“, wie er in einem Interview mit der englischen Zeitschrift „The Guardian“ erzählte, zum anderen aber wohl auch seine eigene psychische Erkrankung.

Anna Fox ist diejenige welche, um die sich alles dreht. Oder aber auch doch nicht, denn ihr Leben spielt sich ausschließlich in ihrem Haus in Harlem ab. Das wirkliche Leben, an dem sie seit einem traumatischen Ereignis keinen Anteil mehr nimmt, findet außerhalb ihrer eigenen vier Wände ab. Sie leidet an einer schweren Angststörung, die sie mit vielen Pillen und noch mehr Rotwein bekämpft. Besuch bekommt sie nur selten und nach draußen traut sie sich nicht, ist aber durchaus an allem interessiert, was um sie herum so passiert, denn neben dem Blick durchs Fenster besteht ihr Leben lediglich aus diversen Online-Aktivitäten, Telefonaten mit Mann und Tochter und ihrer stattlichen DVD-Sammlung. Als gegenüber eine Familie einzieht, die den Kontakt zu ihr sucht, scheint es, als ob Annas Leben eine positive Wende nehmen würde. Bis das Schreckliche geschieht und sie sich fragen muss, ob sie sich das, was sie zu sehen geglaubte, nicht doch bloß eingebildet hat…

Sie merken etwas? Ja, „Girl on the Train“ lässt grüßen, aber auch „Woman in Cabin 10“ – beides Psychothriller, deren Zielgruppe Leserinnen sind und die mit der Ungewissheit der Protagonistin spielen. Einer Protagonistin, die sich nicht sicher sein kann, ob sich ihre Eindrücke und Empfindungen aus der Realität speisen, oder doch nur Hirngespinste sind. Finn überspannt meiner Meinung nach den Bogen. Zwar beschreibt er die Einsamkeit und die Verletzungen seiner Hauptfigur in diesem großen leeren Haus wirklich gut, verspielt bei mir aber diesen Kredit durch die Tatsache, dass er sie als Tabletten und Alkohol abhängiges Wrack präsentiert. Mir kam die Wandlung hin zu deren Aktivität zu spät, denn zu diesem Zeitpunkt war ich schon so genervt von Anna, dass es mir relativ einerlei war, ob ihre Beobachtungen real waren oder nicht. Interessante Ansätze, aber konnte mich dennoch nicht überzeugen.