Rezension

Rechts Leben. Links Tod. Häftling 135913. Bedrückendes Zeugnis des Auschwitz-Überlebenden Sam Pivnik

Der letzte Überlebende - Sam Pivnik

Der letzte Überlebende
von Sam Pivnik

Bewertet mit 5 Sternen

Sam Pivnik war gerade mal 13 Jahre alt, als die Wehrmacht in Polen einmarschierte. Mit der Familie lebte er in einem oberschlesischen Städtchen, der Vater war Schneider und stopfte den Leuten die Hosen. Da wurde aus dem Städtchen ein Ghetto, und Sam, der damals noch »Szlamek« hieß, war mittendrin. Er überlebte, auch den Todesmarsch nach Auschwitz, die Selektion durch Mengele, die Zwangsarbeit, den Schiffbruch auf der Cap Arcona. In den kurzen Jahren seiner Kindheit und Jugend entging er vierzehn Mal dem Tod. Der Krieg ließ keine Möglichkeit, an ein Morgen zu denken. Und wen interessierte nach dem Krieg das Gestern? Am Ende seines unglaublichen Lebens gelingt es Pivnik, einem der letzten Überlebenden von Auschwitz, über seine Erlebnisse zu sprechen.

Der Autor:

1926 geboren, wächst Sam im schönen oberschlesischen Städtchen Bedzin auf. Am 1. September 1939, Sams 13. Geburtstag, überfallen die Deutschen Polen. Über das, was dann geschah, hat Sam Pivnik lange geschwiegen. Er lebt heute in einem Seniorenheim in London.

Reflektionen:

Es gibt kaum ein Buch, das mich bisher mehr bedrückt und berührt hat, als Der letzte Überlebende von Sam Pivnik. Es hat mich nicht nur emotional tief betroffen gemacht, sondern es hat auch einen unfassbar großen Zorn und eine brennende Wut in mir entfacht. Es hat mir eine besondere Sichtweise auf ein historisches Geschehen offenbart, von der ich bisher, in dieser intensiven und persönlichen Form, noch nicht gelesen habe, obwohl ich bereits einschlägige Literatur über diese Zeit gelesen haben. Es hat mir zudem mein Wissen über diese schicksalsträchtige, grauenbehaftete Zeit, bereichert, wenn es mich auch unfassbar traurig gestimmt hat und nunmehr nicht mehr loslässt.

Inzwischen sind bereits vier Wochen vergangen, nach dem ich das Buch beendet habe und noch immer geistern ganze Kapitel, Sätze und Bilder immer wieder durch meinen Kopf, die ich ungewollt, wohl noch nicht in ihm archivieren kann. Die folgend zusammengestellten Zitate, werden sicher andeutungsweise aufzeigen, wie sehr die Worte dieser wahren, absurden Geschichte fesseln und zunächst nicht mehr loslassen.

Das Sam Pivniks Geschichte ist lebendig von ihm erzählt und ein reales Zeugnis des Schreckens. Das er Auschwitz überlebt hat, während seine Familie von den Nazis im Konzentrationslager ausgelöscht wurde, ist ein Wunder.

Seine jüngste Kindheit empfindet er wie ein Leben im Garten Eden. Als 1939 die Deutschen in Polen einmarschierten, war Sam dreizehn Jahre alt. Er sieht mit an, wie die Synagoge seines Heimatdorfes niedergebrannt wird, die Welt Stück für Stück zerfällt und die Tage zu tief dunkler Nacht werden, die sich niemals mehr erhellen.

Er ist siebzehn Jahre alt, als er nach Auschwitz Birkenau deportiert wird. Seine Familie verliert er bereits bei Ankunft an der Rampe, als eine Selektion von hunderten die noch folgen sollten, mit einem Wink nach Links oder Rechts, willkürlich über Tod und Leben entschied.

Sam Pivnik erzählt nicht nur von großen, zusammengefassten, bereits bekannten Ereignissen, sondern auch von den kleinen, persönlichen und alltäglichen Dingen im Konzentrationslager. Besonders diese Schilderungen spiegeln die grauenhafte gelebte, endlose und hilflose Verzweiflung und Ausweglosigkeit wieder, denen er und seine KZ-Mithäftlinge, Tag und Nacht ausgeliefert waren.

Als Rezensentin stellt sich mir bei diesem Werk nicht die Frage nach Stil, Ausdruck und Plot, denn Sam Pivniks Leben führt die schreibende Feder und kein literarischer Anspruch. Dennoch bewerte ich Der letzte Überlebende mit fünf Bewertungssternen, da es für uns Nachkommen, trotz der schrecklichen und grauenvollen Schilderungen, so wichtig, beeindruckend und wertvoll ist.

Ich möchte dieses Buch gern als Pflichtlektüre deklarieren, für Schüler und Lehrer, für all diejenigen, die versuchen zu ergründen, zu verstehen und für die, die ihr Wissen etwas vervollständigen möchten.

Im Besonderen möchte ich all jene „zwingen“ dieses Buch zu lesen, die sich verachtenswerterweise erlauben, unwissend wie sie sind, zu urteilen und zu verhöhnen.

Nichts auf der Welt kann diese absurden Taten jemals rechtfertigen und jemals entschuldigen.

Diese Verbrechen, an mehreren Generationen von Menschen, erfüllen mich mit ehrlicher und tief empfundener Scham und ich werde diese Verbrechen, ihre Entstehung und die scheinbar unmögliche Verhinderung niemals begreifen.

Fazit und Bewertung:

Der letzte Überlebende ist das bedrückende, wahre Zeugnis absurder, menschenverachtender Verbrechen des zweiten Weltkriegs. Es ist die Lebensgeschichte von Sam Pivnik, der das unfassbare Grauen in Auschwitz überlebt hat.

Dieses Buch wird bei jedem Leser Spuren bedrückenden Wissens hinterlassen, die mit dem Zuklappen des Buchs nicht verwischt werden können.