Rezension

Reise mit Geheimnissen

D-Zug dritter Klasse - Irmgard Keun

D-Zug dritter Klasse
von Irmgard Keun

Bewertet mit 4 Sternen

~Irmgard Keun hat ein paar wichtige Romane und einige weniger bedeutende geschrieben. D-Zug dritter Klasse gehört wegen dem geringen Umfang und dem fehlen politischer Elemente in die zweite Kategorie, aber auch hier gilt, dass die Autorin das Talent hatte, allen ihrer Texte Originalität und Wortwitz zu verleihen. Deswegen ist der Roman keine Enttäuschung und man sollte ihn weder inhaltlich noch von der Form her unterschätzen.

Gezeigt wird eine Zugfahrt nach Paris bzw. die Reisenden in einem Abteil. Man denkt an Kreuzersonate von Tolstoi, doch hier geht es auf den ersten Blick harmloser zu. Erst mit der Zeit merkt man, das einige ungewöhnliche Dinge vor sich gehen und jeder der Reisenden sein Geheimnis hat.

Es werden die Reisenden nicht gleichberechtigt geschildert. Die 23jährige Lenchen und ihre Erinnerungen, die im großen Umfang eingeblendet werden, spielen die größte Rolle und lassen anfangs wenig Raum für die anderen Figuren. Das ist in meinen Augen die große Schwäche des Romans. Aber immerhin ist Lenchen doch eine tragende Figur. Sie denkt an ihre schwierigen Beziehungen zu 3 Männern, von denen keine richtig abgeschlossen und auch keine viel Potenzial bietet. Ihr aktueller Freund Karl ist mit dabei, aber er ist besonders unsympathisch. Man hofft auf Leser auf den jungen Mann, der ebenfalls zu den Mitreisenden gehört und der besser zu Lenchen passen würde.

Der Roman ist 1937 im Exil geschrieben, doch weder das Alter noch die Situation spürt man dem Buch besonders an. Es gibt einige humorvolle Beschreibungen, aber eine Komödie wird das Buch nicht, da auch tragische Momente die Handlung prägen.
Ich mag Irmgard Keuns Romane sehr und war daher froh, diesen als Neuveröffentlichung lesen zu können. Es steckt eine Menge in dem Buch, ein zweites Lesen dürfte sich lohnen.