Rezension

Rezension "Das Erwachen des Feuers"

Das Erwachen des Feuers - Anthony Ryan

Das Erwachen des Feuers
von Anthony Ryan

Die Welt von Mandinorien steht vor einem Problem. Denn das Produkt, das Drachenblut, wird immer seltener und kostbarer und die Vorräte scheinen zur Neige zu gehen. In ihrer Not klammern sich manche an eine Legende: die Legende vom weißen Drachen. Und so wird der junge Clay auf die Reise nach dieser mystischen Kreatur geschickt.

"Das Erwachen des Feuers", der Auftakt der neuen Fantasyreihe Draconis Memoria von Anthony Ryan, geht gleich in die Vollen. Über 700 Seiten enthält dieses Buch und da stellt man sich schon die Frage, wie schnell man in dieses umfangreiche Werk hinein kommt. Das geht meiner Ansicht nach überraschend schnell: Ich habe etwa 100 bis 150 Seiten gebraucht, um mich zurecht zu finden. Denn Ryans Konzept wirkt vielleicht zunächst verwirrend, ist aber wirklich genial. Jedes Kapitel ist aus der Perspektive einer der drei Protagonisten geschrieben. Neben dem bereits erwähnten Clay gibt es noch die Spionin Lizanne und den Marineoffizier Hilemore. Ryan erzählt also gewissermaßen drei parallele Handlungsstränge, die sich jedoch an der ein oder anderen Stelle kreuzen.
Sehr beeindruckend ist auch, dass Ryan in der Lage ist, für jeden Charakter den Sprachstil komplett zu wechseln. Hilemore als Marineoffizier ist natürlich sehr vom militärischen Duktus geprägt. Lizanne wirkt wie eine Powerfrau, sie geht bei der Erfüllung ihrer Mission jedoch auch im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen. Und bei Clay merkt man die Herkunft aus den Elendsvierteln in der echt derben und prolligen Wortwahl, bei der durchaus des öfteren mal das "Sch-Wort" fällt, deutlich. Das ist wirklich gut gemacht und trägt auch zum Spannungswert des Buches bei.
Einige Probleme hatte ich jedoch mit der Darstellung der Kämpfe und Schlachten. Diese werden hier nicht fantasytypisch mit Schwert und Schild geführt, nein, hier werden eher moderne Waffen, wie Revolver, Pistolen und Gewehre benutzt. Gegen kleinere Schießereien ist grundsätzlich nichts einzuwenden, aber stellenweise arten die Gefechte in regelrechten Stellungskriegen und Seeschlachten aus. Dies ist mir persönlich zu militärisch, so dass ich damit relativ wenig anfangen konnte. Jedoch gelingt Ryan immer wieder die Kurve zu mehr handlungsorientiertem Geschehen, so dass der Roman niemals in sinnlosem Gemetzel ausartet.

Diese Kämpfe sind jedoch das Einzige, was ich an "Das Erwachen des Feuers" zu kritisieren habe. Ein wirklich erfrischendes, modernes Fantasykonzept mit tollen Charakteren und einer eigenwilligen aber interessanten Kapitelkonzeption machen das Buch für mich tatsächlich zu einem kleinen Geheimtipp. Ich bin gespannt, was mich im zweiten Teil der Draconis Memoria erwartet!