Rezension

[Rezension] “Der Himmel kann warten” von Sofie Cramer

Der Himmel kann warten
von Sofie Cramer

Bewertet mit 3.5 Sternen

Geschichten nach diesem Muster kennen wir schon zur Genüge: Junge trifft todkrankes Mädchen und sie erleben gemeinsam eine besondere Zeit. Da muss ein Buch schon das “gewisse Etwas” haben, um sich aus der Masse hervorzuheben. Ob “Der Himmel kann warten” das in meinen Augen geschafft hat, erfahrt ihr hier. Ich bedanke mich erneut herzlich bei den Rowohlt Verlagen für das Rezensionsexemplar.

Story

Der Anfang ist sehr angenehm, denn die Geschichte entwickelt sich ganz gemächlich. So räumt die Autorin Sofie Cramer dem Leser genügend Zeit ein, die Protagonisten Len und Lilli sowie deren Leben kennenzulernen. Wir erfahren viel über ihren Alltag und die Familien der beiden Jugendlichen beziehungsweise jungen Erwachsenen. Beide sind sehr unterschiedlich aufgewachsen und es tat gut, sie ganz unabhängig voneinander in ihren Welten zu erleben.

Der erste Kontakt erfolgt sehr zögerlich und lässt lange auf sich warten. Ein absolutes Plus für mich, da es doch arg viele Bücher gibt, in denen sich die Protagonisten Knall auf Fall ineinander verlieben. Hier bleibt Cramer erfrischend realistisch. Überhaupt fand ich das Buch in seiner Gesamtheit ziemlich realitätsbezogen, fast gänzlich ohne Weichzeichner und verklärende rosa Wolken.

Lediglich die gemeinsame Zeit von Len und Lilli kommt für meinen Geschmack ein wenig zu kurz. Zwar ist die Geschichte so angelegt, dass sie nur wenig Zeit haben – dennoch fand ich es ein wenig schade. Ich fand die beiden sehr rührend zusammen und hätte mir ein wenig mehr Gespräche und Austausch zwischen den beiden gewünscht.

Schreibstil

Sofie Cramer schreibt locker und flüssig. Es gab für mich keine Stolpersteine im Ausdruck, das Buch las sich von Anfang bis Ende angenehm. Was ich ein wenig vermisst habe, sind die bereits angedeuteten Gespräche zwischen Len und Lilli. Es wird viel beschrieben – die Gefühle, die Ängste und Sorgen -, doch spiegeln sich diese im Dialog wenig wider. Len fasst seine Gedanken zwar gegen Ende des Buches in Worte, doch Lilli bleibt kontrolliert und gefasst. Mir sprach sie zu selten aus, was ihr gerade durch den Kopf geht. So wirkte sie stets etwas unnahbar auf mich.

Schön fand ich, dass die aufkeimende Liebesgeschichte zwar den Schwerpunkt bildet, diese aber eher als Fixpunkt dient, um den herum sich Len und Lilli entwickeln. Sie wachsen daran und machen Erfahrungen, die ihnen neue Einsichten bescheren und für das weitere Leben prägen – ganz gleich, wie kurz oder lang das sein mag.

Charaktere

Hier richte ich mein Augenmerk hauptsächlich auf die Protagonisten. Wobei ich die weiteren Charaktere, unter anderem den Ausbilder von Len sowie Lillis Eltern, sehr gelungen fand. Len und Lilli tragen jedoch die Geschichte – und das tun sie auch ganz ordentlich. Len musste einen schweren Schicksalsschlag verkraften und wird seitdem von seinem Gewissen und Schuldgefühlen geplagt. Er ist verschlossen und nachdenklich. Lilli leidet an einer unheilbaren Herzinsuffizienz. Sie ist stets darauf bedacht, ihren Eltern möglichst nicht zur Last zu fallen oder ihnen und ihrer Schwester Sorgen zu bereiten. Ihre negativen Gedanken behält sie stets für sich.

Beide Charaktere gefielen mir sehr gut. Allerdings fehlte mir bei Lilli ein wenig Tiefe, sie ist so ruhig und besonnen. Ich hatte das Gefühl, bei ihr immer nur an der Oberfläche zu kratzen. Für jemanden in ihrer Lage hätte ich mehr Aufbegehren erwartet. Die Entwicklung der beiden im Verlauf der Geschichte ist jedoch absolut einfühlsam beschrieben und hat mich vollkommen mitgerissen.

Fazit

Sofie Cramer führt dem Leser realistisch das Leben zweier Menschen vor Augen, die mit dem Schicksal zu kämpfen haben. Das “gewisse Etwas” fehlte mir zwar leider am Ende ein wenig – dennoch ist es ein Buch, das mich sehr berührt hat und das ich sehr gerne gelesen habe. Und natürlich durften die Taschentücher nicht fehlen.