Rezension

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Roaring Twenties

Dämmerschlaf - Edith Wharton

Dämmerschlaf
von Edith Wharton

Das Leben der Reichen und Schönen ist nicht einfach. Entweder ist der Terminkalender bis zum Bersten gefüllt mit wichtigen Angelegenheiten wie Gesichtsmassage, Maniküre, Modellsitzen, Komiteesitzungen, Partyplanungen und anderen unaufschiebbaren Belangen. Oder man leidet unter ausgeprägter Langeweile, die man sich mit vorerst mit Gymnastik vertreibt und schließlich Pläne schmiedet, in Hollywood Fuß zu fassen.

Während Pauline Manford ganz und gar damit beschäftigt ist, ihren Platz in der New Yorker High Society zu behaupten, möglichst überall dort mitzumischen, was gerade gefragt ist, und Familienprobleme zu lösen oder unter den Teppich zu kehren, kann ihr erster Ehemann, Arthur, mit ihrem Lebensstil nicht Schritt halten. Noch bevor es also "üblich" ist, lässt sie sich von Arthur scheiden; fühlt sich ihm aber immernoch verpflichtet und räumt ihm daher alle paar Wochen einen kurzen Zeitraum ihn ihrem nahtlos gefüllten Terminkalender ein.

Ihr zweiter Ehemann, Dexter, ist derweilen der Organisationswut seiner Frau müde und vergnügt sich lieber anderweitig. Pauline ist der Meinung, dass das Verfolgen neuer Trends und ihr reduzierter Hüftumfang ausreichen, um die Aufmerksamkeit ihres Ehemannes wiederzuerlangen.

Andererseits scheint Pauline sämtliche Fähigkeiten verloren, sich unabhängig von ihrem Terminkalender zu beschäftigen. Es ist für sie nahezu unmöglich, eine freie Stunde zu überbrücken. "Eine Stunde ist für alles zu lang."

Die nächste Generation scheint hingegen völlig verloren. Paulines Tochter aus der zweiten Ehe, Nona, gibt sich der Gymnastik und dem Jazz hin. Schwiegertochter Lita ist gelangweilt. Mit Nona tanzt sie die Nächte durch und plant darüber hinaus die Scheidung von Paulienes Sohn aus erster Ehe, Jim, sowie eine Karriere in Hollywood. Ein Skandal, den Pauline unbedingt verhindern muss. Hollywood ist der New Yorker High Society höchst suspekt. Ihre eigene Scheidung war notwendig. Aber ein Mädchen wie Lita muss sich schließlich glücklich schätzen, in derartige Kreise eingeheiratet zu haben. Die Trennung ihres Sohnes muss daher zwingend vermieden werden.

Diese Doppelmoral zieht sich wie ein roter Faden durch die Handlung. Allein Nona scheint die Verstrickungen der einzelnen Figuren zu durchschauen.

Edith Wharton vermittelt die Probleme der Protagonisten verständlich... auch wenn diese nicht zwingend nachvollziehbar sind. Und das Alles mit einem Augenzwinkern. Der Stil ist anspruchsvoll; definitiv kein Buch für den entspannten Erholungsurlaub. Aber ist man sich darüber bewusst, handelt es sich um eine durchaus unterhaltsame Lektüre.