Rezension

Rotz und Wasser

Ein ganzes halbes Jahr - Jojo Moyes

Ein ganzes halbes Jahr
von Jojo Moyes

Die Mutter aller Mainstreams punktet mit allem, was ein gutes Buch haben muss: Charakteren, Plot, Emotion, Humor.

Vor etwa 15 Minuten habe ich das Buch „Ein ganzes halbes Jahr“ zugeklappt. Eines, das ich eigentlich nichtssagend und doof finden wollte, weil es im Moment ja sozusagen die Mutter aller Mainstreams ist. Alle sind begeistert von diesem Buch, alle lieben es, alle empfehlen es – ich wollte diejenige sein, die auch mal kritische Töne anschlägt!

Ja, soweit der Plan. Leider muss ich an dieser Stelle schon sagen, dass daraus nichts wird. Ich habe Rotz und Wasser geheult. Genau genommen habe ich so viel geheult wie noch nie bei einem Buch. Unfassbar, wie mitreißend diese Geschichte ist.

Über den Inhalt möchte ich gar nicht mehr so viele Worte verlieren – er ist auch verhältnismäßig einfach zusammenzufassen: Will, ehemals ein erfolgreicher Geschäftsmann, fristet seit einem Motorradunfall sein Leben im Rollstuhl. Lediglich den Kopf und die Finger kann er noch bewegen.
Seine Pflegerin ist die 27-jährige Louisa Clark, die noch nie aus ihrem Nest (einer Kleinstadt mit einer Burg) herausgeflattert ist und vor kurzem auch noch ihren Job in einem Café verloren hat.

Aber „Ein ganzes halbes Jahr“ ist keine Liebesgeschichte. Zumindest geht es nicht vorrangig um die Liebe zwischen zwei Menschen. Sondern es geht vielmehr um die Liebe zum Leben. Um die Liebe zum „am Leben sein“.

Das Thema Sterbehilfe ist heikel – doch die Autorin bezieht überraschenderweise keine Stellung. Sie schildert alle Seiten der Medaille. Schonungslos, aus
verschiedenen Perspektiven. Jede Figur in die Geschichte kommt zu Wort, jeder darf seine Meinung zu dem Thema vertreten. Louisa und Will stehen zwar im Mittelpunkt, aber keine der andern Personen wird außer Acht gelassen.

Das Buch hat mich begeistert. Ich bin mir sicher, dass es mich für viele Tage nicht richtig loslassen wird.

Und es wäre so schön gewesen, wenn es 500 Seiten dicker gewesen wäre. Dann wäre das Ende jetzt (ca. 25 Minuten nach dem Zuklappen) noch nicht bei mir
angekommen.
Aber es ist wohl alles gut so wie es ist. Jeder bezieht am Ende seine Position. Und versteht auch die anderen Meinungen. Ich weiß noch nicht genau, wie die Autorin das geschafft hat, aber dieses Buch trifft einen mitten ins Herz.