Rezension

Routiniert, aber zu konstruiert

Schatten - Ursula Poznanski

Schatten
von Ursula Poznanski

Bewertet mit 3 Sternen

Obwohl „Erebos“ und „Fünf“ für mich mit Abstand zu den besten Büchern von Ursula Poznanski zählen, lese ich alle Veröffentlichungen der Autorin unheimlich gerne, da sie einfach toll geschrieben sind, es immer etwas Ungewöhnliches zu entdecken gibt und jedes Werk mindestens solide ist. Auch der inzwischen vierte Band der Salzburger Kaspary-Wenniger-Reihe „Schatten“ fußt auf einer guten Idee und besitzt vielversprechende Anlagen, zumal der Leser einiges über die Vergangenheit von Hauptermittlerin Beatrice Kaspary erfährt, eine alleinerziehende Mutter von zwei Kindern mit einem Widerling von Ex-Mann und einem traumatischen Erlebnis in jüngeren Jahren. So richtig überzeugend ist dieser vierte Teil jedoch nicht. Die Geschichte hat Schwachstellen, einige! Zu sehr wird an der Oberfläche verweilt, zu oft nach Schema F bedient.

Dabei startet es äußerst spannend mit einem Schwenk zur Perspektive des Mörders, der brutal und gleichmütig einen Mann tötet und kurz darauf erneut mordet. Schnell wird klar, dass beide Morde sowohl mit Bea Kaspary als auch einem alten Fall zu tun haben, dem nie aufgeklärten Mord an Beas früherer Mitbewohnerin Evelyn. Bea nimmt Einblick in alte Akten und stößt in Evelyns Tagebuch auf einige geheimnisvolle Einträge über einen ominösen Jago, dessen Identität die Polizei nie aufdecken konnte.

Tja, und da beginnt die Geschichte auch schon zu schwächeln. Die Zufälle häufen sich. So ein Glück auch, dass Evelyn entscheidende Hinweise in ihr Tagebuch eingebaut hat, zu dumm, dass sie dabei selten die realen Namen der Personen erwähnt. Wie klug aber von Beatrice, dass sie trotzdem genau die richtigen Schlüsse zieht. Und noch besser: Alle früheren Freunde, die sie daraufhin befragt, können sich im Wortlaut an 16 Jahre zurückliegende Gespräche und wichtige Kleinigkeiten erinnern. Super! Trotzdem ist der Täter Bea einen Schritt voraus und zur Mitte gibt es eine hübsche Überraschung, aus der man so viel mehr hätte machen können, wenn man als Leser die Identität des Täters zu diesem Zeitpunkt nicht schon enträtselt hätte, da die Handlung um viel zu wenige Figuren kreist.

Zwischendurch gibt es viel Drama um Ex-Mann Achim, der allen Beteiligten incl. Leser wie immer mit ätzenden Bemerkungen und Ausfällen auf den Keks geht, die schon deshalb nicht ganz nachvollziehbar sind, weil gerade dieses Mal sehr viel wichtigere Dinge anstehen. Hier verwundert auch Beas Verhalten, das schlichtweg nicht zur ausgefuchsten Polizistin passt, die sie sein soll. Im Nachhinein ist mir klar, warum die Autorin einiges so präsentiert, wie sie es tut, aber gerne gelesen habe ich es leider nicht - denn viele Reaktionen der Protagonisten wirken nicht natürlich, sondern so, als seien sie mit Gewalt in den Kontext der Handlung gehämmert worden.  Das ließ vor allem den Täter extrem unclever rüberkommen. Gerade zum Ende hin, das übrigens viel zu schnell und überhastet vonstatten geht, konnte ich nur noch den Kopf schütteln über soviel Dummheit, die aber wohl gebraucht wird, um ohne großen Aufwand ein paar entscheidende Entwicklungen voran zu treiben.
  
Auch sonst war mir vieles zu dünn - angefangen von den Umgebungsbeschreibungen (quasi nicht vorhanden) bis hin zur  Charakterzeichnung und Entwicklung der Beziehung Bea-Florin, die sich auf das Nötigste beschränkt. Vor allem bei Florin schlug dies negativ zu Buche. Er besitzt keine Kanten, keine Eigenheiten, scheint keine eigene Biografie zu haben und wirkte maximal nett, aber zu glatt und flach, zog mich - obwohl zunehmend im Zentrum der Handlung - nicht mit, sorgte seitenweise für Leseunlust.

Mein Fazit fällt deshalb etwas kritischer aus: Routiniert geschrieben ist dieser vierte Teil der Reihe, ja. Zu routiniert! Mit zu vielen Griffen in die Trickkiste des Thrillerkalküls, einigen unglaubwürdigen Zufällen und einer Auflösung, die erstaunlich offensichtlich ist. Im Großen und Ganzen eben noch okay, mit guten Momenten, die sich unterhaltsam lesen lassen, zumal der Schreibstil wie immer überzeugt, was einiges rausreißt. Aus der originellen Idee hätte man aber mehr machen können. Mein größter Kritikpunkt gilt den Figuren, denen nach drei Büchern immer noch deutlich Farbe fehlt, so sehr, als wäre unter Zeitdruck gearbeitet worden. Ein Gedanke, der mir auch hinsichtlich des extrem kurz gefassten Endes kam. Sicher lese ich wieder den nächsten Band, weil Ursula Poznanski jede Menge Vorschusslorbeeren bei mir genießt, allerdings hoffe ich, dass es dann wieder über's Mittelmaß hinausgeht. Denn mehr war es hier in meinen Augen nicht.