Rezension

Routiniert, mit vielen erfolgsversprechenden Zutaten. Leider ohne Chuzpe und Esprit.

Das Café der kleinen Wunder - Nicolas Barreau

Das Café der kleinen Wunder
von Nicolas Barreau

Bewertet mit 3 Sternen

Das Café der kleinen Wunder ist ein seichter Frauenroman a lá Rosamunde Pilcher, der sein Potential nicht ganz ausschöpft. Viele erfolgsversprechende Kernzutaten sind dabei. Es gibt romantische Schauplätze Paris und Venedig, eine junge Frau als Protagonistin, Nelly, die im Studium zwar sehr gut vorankommt, privat jedoch kein glückliches Händchen hat und ist in ihren Professor verliebt. Es gibt später im Texte auch einen jungen Mann, der ihr beim Besuch in Venedig aus der Patsche hilft. Außerdem gibt es sympathische Nebenfiguren wie Cousine, die köstlichen franz. Spezialitäten in ihrem Café in Paris zaubert, den amerikanischen jungen Ingenieur, der auf den Fußgängerzonen singend Europa durchquert. Hinzu kommen einige hier und dort eingestreute Lebensweisheiten und natürlich das (obligatorische) Happy End. Im Laufe des Romans wird u.a. nach Omas Geheimnissen geforscht, denn diese hat Nelly einen Ring mit einer geheimnisvollen Aufschrift geschenkt und gewünscht, Nelly möge eines Tages einen Mann finden, mit dem sie fliegen kann.

Die Zutaten für einen mitreißenden Frauenroman sind da, allerdings konnte er mich leider nicht überzeugen. Die Handlung wirkte auf mich zu konstruiert, die Auflösung sehr konservativ.  Ich konnte kaum glauben, dass dieser Roman aus der Feder vom Autor „Das Lächeln der Frauen“ stammen soll. Letzterer hat mich seinerzeit sehr beeindruckt, nicht zuletzt durch seine Authentizität, toll wiedergegebene Atmosphäre und überlebensgroße Figuren. Diese Eigenschaften habe ich bei dem „Café der kleinen Wunder“ doch sehr vermisst. Ob Paris oder Venedig, mein Eindruck war, dass der Autor dieses Werkes die o.g. Städte nie besucht hat. Die Atmosphäre, die Authentizität ließen zu wünschen übrig. Die einzige gelungene Ortsbeschreibung ist das kleine alte Café in den engen Gassen, das im letzten Drittel auftaucht.

Mir war, als ob dieses recht simple Werk nach vorgegebenen Punkten a lá Malen nach Zahlen entworfen und routiniert heruntergeschrieben wurde. Das Besondere, i.e. Chuzpe und Esprit, fehlten mir aber komplett.

Ich habe etwas Besonderes erwartet, da der Name des Autors, der beim „Lächeln der Frauen“ schon allein durch seinen eigenen Stil und die Handschrift voll überzeugen konnte. Stattdessen gab es recht mittelprächtige Massenware, deren Elemente schon etliche Male woanders und doch eindrucksvoller in Szene gesetzt worden waren.

Ich habe den Roman auch in der Hörbuchversion gehabt. Steffen Groth hat eine gute Arbeit geleistet, die Geschichte ganz nett rübergebracht. Die amerikanische Kartoffel-im-Mund-Aussprache hat er gut drauf. Das etwas chaotische Wesen des Amerikaners brachte er prima zur  Geltung und ließ mich paar Mal schmunzeln. Zum Nebenbeihören ist das Hörbuch in Ordnung, wenn man sich etwas Leichtes wünscht.

Fazit: Drei Sterne für diese Werk erscheinen mir realistisch, was heißt: gut, hätte aber durchaus besser mit mehr Esprit, Chuzpe und Authentizität sein können.