Rezension

Rundum gelungener Fantasyauftakt mit wundervollen, starken Frauenfiguren

Iron Flowers - Die Rebellinnen - Tracy Banghart

Iron Flowers - Die Rebellinnen
von Tracy Banghart

~ „Iron Flowers – Die Rebellinnen“ ist ein spannender Jugendfantasyroman, der mich rundum überzeugen konnte. Der Schreibstil ist flüssig, einfach und anschaulich, die starken Protagonistinnen und weiblichen Nebenfiguren wachsen über sich hinaus und brechen mit gesellschaftlichen Erwartungen und die Themen werden mit angemessener Tiefe behandelt. Tracy Banghart gelingt es, mit ihrer emotionalen Geschichte und mit ihren Schilderungen von entstehenden Freundschaften und Liebesgeschichten, die LeserInnen zu berühren, mitfühlen und mitfiebern zu lassen. Was den Genderaspekt betrifft, erhält das Buch zudem die volle Punktzahl und somit eine uneingeschränkte Leseempfehlung vor allem für jugendliche (aber auch erwachsene) LeserInnen! ~

Inhalt

Kurz scheint es, als würde alles genauso kommen, wie es sich die beiden Schwestern Nomi und Serina vorgestellt hatten: Serina wird als Grace-Anwärterin in den Palast des Regenten eingeladen. Wenn sie Glück hat, wird sie einer jener drei Frauen sein, die der Thronfolger auserwählt und die ihm fortan dienen dürfen. Serina wurde seit ihrer Geburt auf diese Rolle vorbereitet, ist so folgsam, anmutig und elegant wie eine Grace es nur sein kann. An ihrer Seite ist ihre rebellische, willensstarke Schwester, die ihr als Zofe dienen wird – ein Stück Familie, das auch in Serinas neuem Leben immer bei ihr sein wird. Doch am Tag der Erwählung kommt alles ganz anders als erwartet: Der Thronfolger macht die unvorbereitete Nomi zu seiner Grace. Eine Kette unvorhersehbarer Ereignisse wird ausgelöst und die Schwestern werden getrennt…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #1 der „Iron Flowers“-Reihe, über die Erscheinungstermine der Folgebände war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Rezension noch nichts bekannt
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präsens
Perspektive: abwechselnd aus Nomis und Serinas Sicht
Kapitellänge: mittel
Tiere im Buch: - Generell, auch die Tiere betreffend, ist dieses Buch nichts für allzu sensible Gemüter. Besonders schade finde ich, dass Tiere wie Schlangen, die ohnehin schon einen schrecklichen Ruf haben und oft grundlos getötet werden (obwohl sie in unseren Breiten keine Gefahr für den Menschen darstellen), hier wieder eine Bedrohung darstellen. Details: Eine Schlange wird geköpft, ein Wespennest wird zur Unterhaltung zerstört, Pferde werden bei einem rücksichtslosen Rennen getötet oder schwer verletzt.

Warum dieses Buch?

Der Klappentext hat mich sofort überzeugt. Starke Frauen, Spannung und Romantik wurden versprochen – wer kann da schon widerstehen?

Meine Meinung

Einstieg (♥)

Die Autorin macht es uns mit einem angenehmen, spannenden Einstieg, der uns mitten ins Geschehen wirft, sehr einfach, in die Geschichte zu finden. Eigentlich wusste ich aber schon vorher, dass ich dieses Buch lieben würde, nämlich bei der Widmung:

„Für jede Frau, von der verlangt wurde, sich zu setzen und nicht zu widersprechen – und die sich dennoch erhoben hat.“ Widmung

Das schreibt die Autorin am Anfang und bescherte mir damit sofortige Gänsehaut. Was für eine Widmung, was für eine Botschaft für die jüngeren LeserInnen – die Feministin in mir wollte schon zu diesem Zeitpunkt losjubeln!

Inhalt, Themen & Botschaften (♥)

Nicht jeder in der Geschichte enthaltene Aspekt ist vollkommen neu und innovativ, es stimmt auch, dass es Parallelen zu anderen Büchern gibt. Aber die Autorin schafft es, bekannte Elemente mit neuen, frischen Ideen zu verbinden und kreiert so eine Fantasygeschichte, die durchgehend überzeugen kann. In einer für Frauen düsteren Welt haben sie die Wahl zwischen Pest und Cholera: Würdest du lieber bis zur Erschöpfung arbeiten? Oder Kinder gebären? Oder dem König in einem Arbeitsverhältnis, das an Prostitution grenzt, dienen? Das patriarchalische Königreich Viridia unterdrückt Frauen, verbietet es ihnen, lesen zu lernen, sich zu bilden, selbst Entscheidungen zu treffen. Als angehende Lehrerin und Feministin, der Gleichberechtigung sehr am Herzen liegt, sind mir Jugendfantasyromane mit starken, authentischen Frauenfiguren natürlich mehr als willkommen. Wir brauchen sie dringend, wenn wir etwas verändern wollen. Ich würde diese Geschichte rund um zwei Schwestern, die beide auf ihre eigene Weise über sich hinauswachsen, ohne das kleinste Zögern meinen SchülerInnen empfehlen. Jedoch soll an dieser Stelle erwähnt werden, dass es teilweise sehr brutal wird (ich würde die Brutalität mit jener in „Die Tribute von Panem“ vergleichen) und dass das Buch daher möglicherweise nicht für jede/jeden 14-Jährige/n geeignet ist.

Die Autorin behandelt Themen wie Familie, Rollenbilder, Verantwortung, gesellschaftliche Erwartungen, Mut und Rebellion (für einen Jugendroman angemessen) tiefgehend und stellt die jugendlichen LeserInnen vor so manches moralische Dilemma. Ist der einfache Weg immer der beste? Welchen Preis kann es haben, sich zu wehren? Ist es das Opfer wert? Lohnt es sich zu kämpfen? Gerade in der heutigen Zeit, in der viele denken, dass der Feminismus genug erreicht hat und in der viele sich nach der „guten, alten Zeit“ mit einer klaren Rollenverteilung sehnen, sind Geschichten wie die „Iron Flowers“ wichtig. Denn: Wie gefestigt Genderstereotypen oft besonders bei jungen Menschen sind, ist teilweise erschreckend. Geschichten wie diese können Mädchen ermutigen, so zu sein, wie sie sein wollen, sich nichts vorschreiben zu lassen und gesellschaftlichen Erwartungen den Kampf anzusagen.

Schreibstil & Dialoge (+)

Auch der Schreibstil konnte mich restlos überzeugen. Er ist flüssig, sehr angenehm zu lesen und dabei dennoch nicht so einfach, dass er Jugendliche unterfordern würde. Im Gegenteil, die Komplexität ist perfekt gewählt und wird auch WenigleserInnen nicht abschrecken. Dabei sind die Beschreibungen von Tracy Banghart, die übrigens ein großer „The 100“ Fan ist, herrlich anschaulich. Auch Emotionen, egal ob Angst, Wut, Verzweiflung, Freude oder Verwirrung, kommen intensiv bei den LeserInnen an. Die lebendigen Dialoge tun ihr Übriges. Toll!

"'Es ist keine Entscheidung, wenn du nicht nein sagen kannst. Ein Ja bedeutet nicht dasselbe, wenn es die einzige Antwort ist, die du geben darfst!'" Ebook, Position 461

Protagonistinnen & Figuren (♥)

Die Protagonistinnen sind wundervoll. Die rebellische Nomi, die sich nichts gefallen lässt und oft ein bisschen übers Ziel hinausschießt, habe ich sofort ins Herz geschlossen. Auch mit Serina habe ich mich mit jeder Seite mehr verbunden gefühlt. Beide Mädchen sind sympathisch, haben ihre individuellen Schwächen, Stärken, Zweifel und Ängste. Nomi und Serina durchlaufen eine glaubwürdige Entwicklung, machen Fehler und wachsen schließlich über sich hinaus. Jede ihrer Emotionen, jeder Gedanke kam bei mir an und ich habe absolut mit beiden mitgefühlt und mitgefiebert!

"Und weil ihre Mutter so auf Serina fokussiert gewesen war, war ihr entgangen, was aus Nomi wurde. Sie hatte nicht gemerkt, wie wütend es Nomi machte, dass sie nicht wie Renzo zur Schule gehen durfte. Sie wusste nichts von Nomis rebellischer Ader, von ihrer Überzeugung, dass sie dieselbe Behandlung und dieselben Rechte verdiente wie ihr Bruder, der ein paar Minuten nach ihr auf die Welt gekommen war." Ebook, Position 496

Jedoch sind dreidimensionale Hauptfiguren der Autorin nicht genug – sie zeichnet die Personen bis in die Nebencharaktere liebevoll und glaubwürdig. Überall warten Geheimnisse, menschliche Abgründe und überraschende Offenbarungen darauf, von den LeserInnen entdeckt zu werden.

Love is in the Air (♥)

Auch die romantischen Momente und Liebesgeschichten, die sich langsam und glaubwürdig entspinnen (so wie ich mir das wünsche) und niemals zum Hauptthema der Geschichte werden, fand ich absolut passend, niemals überzogen und sehr intensiv beschrieben. Oft knistert die Chemie nur so zwischen den Seiten, dann wird es einem wieder ganz warm ums Herz, weil eine Szene so gefällt. Es ist schon lange her, dass das ein Buch bei mir geschafft hat. Kennt ihr diesen Momente, wenn man gerade an einer perfekten Stelle ist und sich kaum weiterzulesen traut, weil man sich sicher ist, dass alles, was jetzt kommt, nur schlechter werden kann? Tja, dieses Gefühl hatte ich beim Lesen einige Male – und ich wurde niemals enttäuscht.

Spannung & Atmosphäre (+)

Wer erwartet, auf den letzten Metern noch Kritik vorzufinden, den muss ich leider enttäuschen. Die Atmosphäre ist stets dicht, emotional und fängt die Stimmung und Gefühle der Hauptfiguren perfekt ein. Auch beim Spannungsbogen gibt es nichts anzuprangern – im Gegenteil, schon auf den ersten Seiten werden Neugier und Spannung geschürt und dieser Drang weiterzulesen bricht niemals ab. Zudem ist die Geschichte absolut unvorhersehbar (ich denke nicht, dass irgendjemand den Handlungsstrang um Serina erraten könnte) und bietet unzählige überraschende Wendungen.

Das Erzählen aus zwei verschiedenen Perspektiven – etwas, das ich eigentlich nicht mag – ist hier notwendig und steigert durch die kleinen Cliffhanger am Kapitelende die Spannung zusätzlich. Zuerst will man wissen, wie es mit Nomi weitergeht, dann kommt das Kapitel von Serina dazwischen, doch auch da möchte man sofort weiterlesen – ein perfekter, kleiner Teufelskreis.

Geschlechterrollen (♥)

Nach einer derartigen Widmung, bei solch starken Frauenfiguren und authentischen männlichen Charakteren wie Val, der ein modernes Rollenverständnis vertritt, ist es eigentlich kein Wunder, dass das Buch in diesem Bereich alle Punkte bekommt. Junge Mädchen werden inspiriert, sich nichts gefallen zu lassen, sie lernen, dass auch Frauen stark sind und kämpfen können. Sie werden ermuntert, auf gesellschaftliche Erwartungen nichts zu geben, sondern das zu tun, was sie glücklich macht. Aus diesem Grund halte ich auch als angehende Lehrerin das vorliegende Buch für sehr geeignet für jugendliche LeserInnen.

"'Mein Vater hat immer gesagt, dass Unterdrückung kein endlicher Zustand ist. Sie ist ein Gewicht, das immer schwerer und schwerer wird, bis es keiner mehr tragen kann, und dann wird es abgeworfen.'" Ebook, Position 3554

Mein Fazit

„Iron Flowers – Die Rebellinnen“ ist ein spannender Jugendfantasyroman, der mich rundum überzeugen konnte. Der Schreibstil ist flüssig, einfach und anschaulich, die starken Protagonistinnen und weiblichen Nebenfiguren wachsen über sich hinaus und brechen mit gesellschaftlichen Erwartungen und die Themen werden mit angemessener Tiefe behandelt. Tracy Banghart gelingt es, mit ihrer emotionalen Geschichte und mit ihren Schilderungen von entstehenden Freundschaften und Liebesgeschichten, die LeserInnen zu berühren, mitfühlen und mitfiebern zu lassen. Was den Genderaspekt betrifft, erhält das Buch zudem die volle Punktzahl und somit eine uneingeschränkte Leseempfehlung vor allem für jugendliche (aber auch erwachsene) LeserInnen!

Der Folgeband steht schon jetzt auf meinem Wunschzettel!

Empfehlung: Sowohl für Jugendliche als auch Erwachsene geeignet. Beachtet werden sollte, dass das Buch viel Gewalt enthält.

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 5 Sterne ♥
Ausführung: 5 Sterne
Schreibstil: 5 Sterne
Protagonistinnen: 5 Sterne ♥
Figuren: 5 Sterne ♥
Atmosphäre: 5 Sterne
Spannung: 4,5 Sterne
Liebesgeschichten: 5 Sterne ♥
Emotionale Involviertheit: 5 Stern
Geschlechterrollen: ♥

Insgesamt:

❀❀❀❀❀♥ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir fünf begeisterte Lilien und ein Herz und somit den Lieblingsbuchstatus!