Rezension

Sachbuch im falschen Gewand

Der Tiger in der guten Stube - Abigail Tucker

Der Tiger in der guten Stube
von Abigail Tucker

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ein niedliches Katzenkind auf dem Titelbild, ein spielendes Katzenkind auf der Rückseite und eine Fülle von kleinen Zeichnungen von kletternden, sitzenden, grimmig oder lieb schauenden Katzen, Pfötchen, die über die Seite laufen – die gesamte Aufmachung suggeriert ein „liebes“ Katzenbuch, vielleicht sogar für Kinder. Solcherart falsche Erwartungen zu wecken, kann doch nicht wirklich verkaufsfördernd sein?

Denn tatsächlich handelt es sich um ein fundiertes Sachbuch, das eine unglaubliche Fülle an Informationen rund um das Thema Katze vermittelt. Die Auflistung aller Fußnoten, d. h. Quellenverweise, studierte Literatur etc., in kleinster Schrift gesetzt, umfasst 20 Buchseiten! Die Autorin hat ungeheuere Fleißarbeit geleistet. Allein schon dafür gilt ihr meine größte Anerkennung. Zwar schreibt sie als Amerikanerin zwangsläufig mit Blick auf die USA, aber viele, viele Informationen lassen sich eins zu eins auf Europa übertragen. Die mitunter etwas trockenen, aber gut verständlichen Inhalte werden immer wieder aufgelockert durch Erzählungen der Autorin über ihre persönlichen  Katzen-Erlebnisse. Es gefällt mir sehr gut, dass Abigail Tucker versucht, sich mit allen von ihr angerissenen Themen möglichst neutral zu befassen, sie wertet nicht, weist keine Schuld zu. Sie hält sich an Fakten, an Forschungsergebnisse, an Umweltaktivisten, an Tierschützer, an Züchter, an Wissenschaftler. Leider, leider fehlen im Buch Fotos. Man hätte gut daran getan, statt der kinderbuchartigen Zeichnungen aussagekräftige Fotos einzufügen, um die angebotenen Informationen anschaulich zu machen.

Auf der Rückseite des Buches verspricht der Verlag, dass man nach Lektüre dieses Buches Katzen mit anderen Augen sehen wird. Und das ist in der Tat so! So viel Erschreckendes, Befremdliches habe ich noch nie über Katzen gelesen. Verwunderung, Entsetzen, Scham, Ungläubigkeit, Heiterkeit – eine große Bandbreite an Reaktionen löste das Buch in mir aus, ungewöhnlich für ein Sachbuch und Nachweis für die besondere Qualität des Buches.

Wer Katzen liebt, sollte das Buch lesen. Und wer Katzen nicht mag, sollte dieses Buch auch lesen!