Rezension

Sarah und die verschwundenen Näherinnen....

Die Zeit, in der wir träumten - Meredith Jaeger

Die Zeit, in der wir träumten
von Meredith Jaeger

Bewertet mit 5 Sternen

"Die Zeit, in der wir träumten" von Meredith Jaeger ist im Aufbau-Taschenbuch-Verlag (atb), 2017 broschiert erschienen. Themen, die dieser sehr gelungene Roman (Début der Autorin mit deutschen Wurzeln) beinhaltet, sind u.a. Freundschaft, alte Familiengeheimnisse, Gewalt, Standesunterschiede in historischem Bezug im viktorianischen Zeitalter in San Francisco, Loyalität, Schicksal und Liebe.

"Die Journalistin Sarah Havensworth ist glücklich verheiratet - und nun wünscht sich ihr Mann ein Kind mit ihr. Doch sie trägt schwer an einer Schuld, die sie vor ihm zu verbergen sucht und die alles zu zerstören droht. Dann stößt sie bei einer Recherche auf das Schicksal zweier junger Frauen, die vor langer Zeit in San Francisco ein besseres Leben suchten, in Liebe und in Freiheit. Sarah findet heraus, dass die Mädchen ihren Traum bitter bezahlen mussten - und dass ausgerechnet die Familie ihres Mannes Anteil daran hatte. Aber dann muss auch sie selbst sich ihrer Vergangenheit stellen."(Quelle: Buchrückentext)

Durch das große Vermögen ihres Mannes Hunter Havensworth kann Sarah, seine Frau, ihr Studium weiterführen und stößt bei Recherchen zufällig auf das Schicksal zwei verschwundener Näherinnen im San Francisco des Jahres 1876: 
Es handelt sich um eine irische Einwanderin namens Margaret O'Brian und eine Emigrantin deutscher Herkunft, Hannelore Schaeffer. Beide jungen Frauen arbeiten in einer Nähstube, die unter dem strengen Regiment von Miss Cunningham steht und sind enge Freundinnen. Zufällig machen beide bei einem Spaziergang die Bekanntschaft von Lucas Havensworth und dessen Cousin Robert. Lucas erweist sich als wahrer Gentleman und hilft den Frauen aus einer beklemmenden Lage. Hannelore (Hanna) hat sich in diesen liebenswürdigen Mann verliebt und bittet ihn um Hilfe, als ihre beste Freundin Margaret plötzlich verschwindet; Lucas, der in Hanna eine kluge und sehr verantwortungsvolle Frau erkennt (sie kümmert sich um ihre kleineren Geschwister und beschützt sie vor der Gewalt des trunksüchtigen Vaters), hilft ihr bei der Suche nach Margaret und quartiert Hanna und ihre Geschwister in seinem Elternhaus ein. Dort prallen gesellschaftliche Welten aufeinander und Hanna fühlt, dass sie eigentlich nicht in ein solches herrschaftliches Haus gehört, hat sie zuvor, wie auch Margaret, in Armut gelebt und kaum genug zu essen gehabt. Ohne ihre Stellung als Näherin wären sie und ihre Geschwister wohl verloren gewesen: Werden Hanna und Lucas Margaret noch rechtzeitig finden oder wurde die Freundin von Hanna brutal ermordet; wenn ja, von wem?
Dieser Frage geht Sarah in der Gegenwart nach und bedient sich Bibliotheken und Internet-Recherchen, um hinter dieses Rätsel zu kommen und es für ihre Uni-Masterarbeit zu lösen. Je mehr Fragen sich auftun, desto verbissener arbeitet sich Sarah in die mysteriöse Vergangenheit und das Verschwinden der beiden Näherinnen und erhält Drohungen, diese Recherchen einzustellen und die Vergangenheit ruhen zu lassen, von wem kommen sie?
Meredith Jaeger versteht es von der ersten Seite an, den Leser dieses teils historisch sehr interessanten Romans abzuholen und ihn nach San Francisco ins Jahr 1876 zu entführen: Der Schreibstil ist eingängig, spannend und sehr gut zu lesen, die Romanfiguren sehr authentisch. Die Autorin hat eine Zeit eingefangen, in der Frauen kaum Rechte hatten, ganze Bevölkerungsgruppen wie die irischen Einwanderer in großer Armut in Amerika des Jahres 1876 leben mussten und Gewalt, Unterdrückung und Ausbeutung der Emigranten an der Tagesordnung waren. Kulturhistorisch und geschichtlich hat mich der Roman sehr überzeugt, da er gut recherchiert ist und diese Informationen in die Handlung sehr gut umgesetzt wurde. Der Spannungsaufbau, den die Autorin herstellt, hält bis zum Schluss an und sowohl das Rätsel um das Verschwinden von Margaret als auch das Geheimnis um Sarah selbst werden erst zum Ende aufgelöst. 
Besonders gut gefiel mir stilistisch, dass die Atmosphäre, die Gewalt bis hin zu Morden, die Ungerechtigkeiten, mit denen viele Emigranten zu kämpfen hatten, sehr detailliert und bildhaft sowie nachvollziehbar dargestellt wurden. Die Personen sind ebenfalls detailreich und authentisch dargestellt und die Handlung stimmig.

Fazit:

Ein historischer Roman mit zwei Erzählsträngen, die beide sehr spannend und gut recherchiert zu lesen sind und den Leser ins viktorianische San Francisco zu irischen und deutschen Emigranten entführen, um deren Schicksal, hier sind es zwei Näherinnen, es geht. Ein wirklich lesenswerter, authentisch geschriebener Roman mit einer historischen Atmosphäre, die wundervoll beschrieben wird. Mir hat das Lesen viele sehr interessante, informative  und tolle Lesestunden beschert und ich empfehle den Roman, der auch an Aktualität in Sachen Emigration anno 2017 nichts einbüßt, sehr gerne weiter! Von mir erhält das Début der grandiosen Erzählerin Meredith Jaeger 5 * und ich würde mich freuen, mehr von ihr zu lesen. Ein Dankeschön geht von mir auch an die Übersetzerin und den atb-Verlag!