Rezension

Schleppt sich dahin...

Romeo und Romy - Andreas Izquierdo

Romeo und Romy
von Andreas Izquierdo

Bewertet mit 2 Sternen

Dieses Buch will einerseits zu viel auf einmal und ist andererseits unfassbar langatmig

Inhalt

Romys großer Traum ist es, Schauspielerin zu werden und eines Tages als Julia Carpulet auf der Bühne zu stehen. Stattdessen ist sie  nur die Souffleuse einer kleinen Theaterproduktion und wird nach einer katastrophalen Premiere gefeuert.
Deprimiert kehrt sie nach Großzerlitsch, ihr Heimatdorf, zurück, wo gerade ihre Oma Lene gestorben ist.
Schon nach kurzer Zeit, stellt Romy entsetzt fest, dass in Großzerlitsch einiges nicht mit rechten Dingen zugeht. Die Bewohner (allesamt alte Menschen), die für sie wie eine Familie sind, geben sich alle Mühe, so bald wie möglich zu sterben, denn auf dem örtlichen Friedhof gibt es nur noch zwei freie Plätze und jeder von ihnen will in seinem Heimatdorf begraben werden.
Fieberhaft sucht Romy nach etwas, das den Alten ihren Lebenswillen wiedergeben wird, und hat eine Idee: Aus der alten Scheune auf Lenes Hof ließe sich wunderbar ein elisabethanisches Theater bauen und mithilfe der Alten könnte sie doch noch ihren Traum wahrmachen und "Romeo & Julia" aufführen.

Meinung

Was als süße Geschichte über ein Mauerblümchen und ihren großen Traum angepriesen wird, konnte mich leider absolut nicht überzeugen.

Das fängt schon damit an, dass "Romeo und Romy" durch Cover, Titel und Klappentext als eine Liebesgeschichte vermarktet wird, die es jedoch nur zu einem kleinen Teil ist und die leider auch kaum überzeugen kann.
Zunächst einmal taucht Ben nur im Prolog und dann erst nach gut einem Drittel des Buches wieder auf. Mich mit ihm anfreunden oder Romys Gefühle ihm gegenüber nachvollziehen konnte ich leider nie. Auf mich wirkte er immer nur schrecklich kindisch und als Stereotyp des Herzensbrechers ziemlich klischeehaft und überzogen. Die Wandlung, die er scheinbar am Ende durchlaufen soll, und die Erklärung für die Fassade, die er sich aufgebaut hat, waren in meinen Augen mehr als dürftig beschrieben. Auf gut deutsch gesagt: Er ging mir auf die Nerven.

Auch Romy als die Hauptfigur konnte mich leider nicht überzeugen. Im Gegensatz zu Ben war sie zwar nicht nervig, dafür aber furchtbar farblos und zudem noch ziemlich naiv und verstörend perspektivlos: Eine erwachsene Frau, die - ohne sich Gedanken über ihre Zukunft zu machen - arbeitslos in einem kleinen Kaff hockt und ihr letztes Geld und das ihrer Freunde verschleudert um ein Theater zu bauen, das sie niemals wird ernähren können - eine ziemlich traurige Vorstellung, die auf mich nicht allzu durchdacht wirkte.
Romys Gefühle wie beispielsweise die Verzweiflung über den Tod ihrer Großmutter und den frühen Tod ihrer Mutter, ihre Liebe gegenüber den Dorfbewohnern, ihre Freude, wenn etwas gut läuft, sind sehr authentisch beschrieben, doch insgesamt fehlte es bei mir an Charakter.

Die Alten des Dorfes sind da als Figuren schon deutlich besser ausgearbeitet: ein kunterbunter, schrulliger Haufen, aus dem sich der Autor einige Figuren rausgepickt und sie und ihr Schicksal genauer vorgestellt hat. Rausgekommen sind dabei einige sehr originelle und liebenswerte Figuren.
Dabei wirkt die Herzlichkeit, mit der das ganze Dorf Romy wie die eigene (Enkel-)Tochter behandelt, sehr liebevoll und berührend und auch besonders am Ende gibt es einige sehr emotionale Szenen, die mich fast zu Tränen gerührt haben.

Das kann leider auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Roman ansonsten einfach nicht "zu Potte kommt".
Die Handlung schleppt sich über knapp 480 Seiten dahin und außer der Tatsache, dass das Theater gebaut wird, gibt es kaum einen roten Faden. Romy macht den ganzen Tag kaum etwas anderes als an ihrem Theater zu bauen, das immer wieder ausführlich beschrieben wird. Um die Dramatik zu steigern, werden den Alten und Romy immer wieder Steine in den Weg gelegt (Geldprobleme, der Bauamtsleiter, etc.), die dann aber alle auf unrealistisch leichte Weise weggeräumt werden können. Teilweise enthält der Roman schlichtweg auch sachliche Fehler.
Oft habe ich mich dabei ertappt, wie ich gehofft habe, dass dieses Theater endlich mal fertig würde, damit endlich etwas passiert.

Gleichzeitig versucht der Autor, neben dem Theater noch einige andere Themen ins Buch einzubauen, was jedoch eher gezwungen wirkt und oft nicht richtig ausgebaut wird, sodass man ihnen nicht gerecht wird. Da wäre zum Beispiel Romys Vater, Bens Vergangenheit oder der Grund, wieso Hilde und Bertha seit 40 Jahren nicht mehr miteinander reden - alles interessante Themen, die jedoch viel zu schnell abgehandelt werden.

Als sehr anstrengend habe ich auch den Schreibstil empfunden, der einerseits oft schwülstig und lyrisch, andererseits auch oft plump wirkt, was eine irritierende Kombination ergibt.

"Sie stand auf und fühlte sich wie ein Troll. Hob das Handy auf: Wasserschaden." (S. 65)

Hier haben wir zum Beispiel nicht einmal vollständige Sätze, verglichen mit Passagen wie dieser hier:

"Der Konjunktiv jedoch war das Glitzerpapier auf dem Geschenk namens Leben, und riss man es ab, um nachzusehen, was es für einen bereithielt, ahnte man, dass Gott den Wunschzettel mal wieder nicht hatte richtig entziffern können." (S. 399)

Fazit

"Romeo & Romy" hätte die wirklich süße Geschichte eines unmöglich scheinenden Traums, der dann doch verwirklicht wird, eine Geschichte über Heimat, Freunde und die Liebe sein können, doch leider ist daraus in meinen Augen mehr ein langatmiges, unrealistisches Buch mit farbloser Hauptfigur, zu vielen angeschnittenen Themen, die nicht ausführlich genug behandelt werden, und einer kaum nachvollziehbaren Liebesgeschichte geworden. Zwar sind einige der Nebenfiguren sehr liebevoll und originell gestaltet und es gibt durchaus ein paar berührende Szenen, doch insgesamt kann ich trotzdem nicht mehr als 2 Sterne vergeben.