Rezension

Schlimmer als der Denver-Clan

Winter der Welt - Ken Follett

Winter der Welt
von Ken Follett

Bewertet mit 2 Sternen

Dieses Buch wurde mir empfohlen. Es ist der zweite Teil einer (mittlerweile) 3-teiligen Saga um mehere Familien vor dem Hintergrund verschiedenster Kriege. Das erste Buch spielt im 1. Weltkrieg, das zweite Buch im 2. Weltkrieg und das dritte Buch - wie soll es anders sein - im Kalten Krieg. Ich habe das erste nicht gelesen und kannte die Figuren nicht, dennoch fiel es mir leicht in die Geschichte zu finden. Das ging deshalb so einfach, weil sämtliche Charaktere allesamt irgendwelchen Stereotypen entsprechen. Die Bösen sind stupide und grausam, die Guten sind aufopferungsvoll und weise. Das macht die ganze Geschichte vorhersehbar und irgendwie langweilig. Im Prinzip geht es nur darum, wer mit wem geschlafen hat, wer wessen Vater wirklich ist und wer wem die Butter nicht auf dem Brot gönnt. Und natürlich gewinnt das Gute und alle haben sich am Ende lieb. Das der 2.Weltkrieg dabei auch noch stattfindet ist eigentlich Nebensache. Es gibt lange Passagen über Angriffe, die einem schier unendlich vorkommen und sich an Langweiligkeit gegenseitig überbieten. Seitenweise werden Fliegerangriffe beschrieben, die man als Laie in Flugzeugtechnik eh nicht versteht und dann schnell überfliegt um in der Story weiterzukommen. Und die bringt dann doch irgendwie nichts neues. Und teilweise nimmt man den Charakteren ihre Entwicklung wirklich nicht ab.

Da gibt es zum Beispiel Daisy, eine reiche, verwöhnte, amerikanische Göre, die sich mit dem erst besten Typen verheiratet, damit sie einen Titel bekommt und in den besten Kreisen wandeln kann. Dabei ist sie so berechnend und kaltherzig, dass man ihr die Wandlung zu einer ehrlichen, hilfsbereiten und bodenständigen Frau einfach nicht glaubt.

Ebenso Erik, der Sohn der politisch aktiven Familie von Ulrich, die Nazi-Gegner sind. Erik entschließt sich - aufgrund seines schlichten Gemüts - den Nazis anzuhängen. Er engagiert sich offen und lässt sich von ihnen auch sein Medizin-Studium finanzieren. Damit geht er dann als Sanitäter an die Front. Er ist dermaßen verliebt in den Adolf (und das über Jahrzehnte), dass man sich wirklich wundern muss, wie schnell er durch einen einzigen Vorfall eines besseren belehrt wird und sich doch der Meinung seiner Familie anschließt.

Am meisten hat mich Carla genervt! Sie ist die Schwester von Erik und sympathisiert, wie ihre Eltern, mit dem Kommunismus. Sie ist sowas von die Tugend und Aufrichtigkeit in Person, dass ich jedes mal die Augen verdrehen musste, wenn sie ihren Auftritt hatte. Natürlich ist sie mit 11 schon so schlau, dass sie die Machenschaften der Nazis durchschaut und die komplizierte politische Lage peilt. Natürlich ist sie eine resulute, selbstbewusste Frau, die sich niemals unterkriegen lässt. Natürlich ist sie viel schlauer als ihr Nazi-Bruder, auch wenn sie als Frau kein Medizin-Stipendium von den Nazis bekommt. Natürlich engagiert sie sich im Untergrund! Natürlich opfert sie sich, um einem kleinen Mädchen eine Vergewaltigung zu ersparen... das ist sowas von nervig.

Und das schlimmste ist: Am Ende wird alles schick! Jeder bekommt die Frau oder den Mann den er liebt, es wird geheiratet, Kinder gezeugt und man liebt und lebt glücklich bis ans Ende des Buches... Niemand leidet wirklich. Die Bösen kriegen ihr Fett weg und den Guten geht es super.

Das einzige, was man dem Buch wirklich nicht aberkennen sollte: Der Autor hat wirklich gut recherchiert! Dafür gibt es auch die Sternchen. Aber mal unter uns: Wir Deutsche wissen, dass nicht jeder ein Nazi war. Daher finde ich es einfach total überflüssig die Guten derart in den Helden-Himmel zu heben. Ich meine, dieses Buch ist für Amerikaner geschrieben, die im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst haben und denen man jetzt mal vorkauen muss, wie es wohl anscheinend wirklich war. Schön verpackt in einer Familiengeschichte nach Denver-Clan Manier! 

 

 

Kommentare

Naibenak kommentierte am 30. November 2014 um 13:49

Ich lese diesen Roman momentan und ich gehöre zu denen, die absolut begeistert sind ;-) Für mich sind tatsächlich die politischen Erklärungen und Kriegszenen das, was mich ungeheuer packt. Das mag u.a. daran liegen, dass mir in der Schule damals nicht alles bis ins Detail so vermittelt wurde. Die Liebeleien nebenher lockern die Grausamkeiten ein wenig auf, sind für mich aber nebensächlich. Die Familiengeschichten als solche geben dem ganzen dann auch den Roman-Charakter, was mir sehr gefällt. Aber wie immer sind die Geschmäcker grundverschieden ;-) Schade, dass Du Dich durch die über 1000 Seiten so quälen musstest...

MataHari kommentierte am 03. Dezember 2014 um 13:07

Sorry, ich steh einfach nicht auf Familien-Schnulz. Ganz ehrlich: Wenn du wirklich etwas über die Grausamkeit der Nazis im 2.Weltkrieg erfahren willst und dich für die Geschichte interessierst, dann lese ein Geschichtsbuch oder Augenzeugeberichte, Biografien! Geh in ein Museum oder besuche ein KZ oder Arbeitslager. Das sind Gedenkstätten. Ich kann dir zum Beispiel das Arbeitslager "dora" in Nordhausen sehr empfehlen. Dort wurde die V2 gebaut und der Schacht ist noch sehr gut erhalten. Die Leiter dort sind sehr gut geschulte Leute - wie in jeder KZ-Gedenkstätte in Deutschland. Follett ist ziemlich lückenhaft in dieser Hinsicht. Das, was er beschreibt, ist gut recherchiert, aber es fehlt so viel ... so viel... Aber wahrscheinlich hätte dafür die eine oder andere Fummel-Szene weichen müssen und dann hätte das Buch wahrschlich nicht mehr so gezogen. Daher kann ich das Buch als Geschichtsunterrichts-Ergänzung auch nicht wirlich empfehlen. 

Naibenak kommentierte am 03. Dezember 2014 um 13:29

Oh danke für die vielen Tipps! Natürlich ersetzt der Roman kein Fachbuch! Ich habe mich trotzdem bewußt für einen Roman entschieden, weil ich es mag, wenn ein Autor Fiktion und Fakten miteinander verknüpfen kann. Und hier bekommt man einen sehr guten Querschnitt geliefert. Und auch die Familiengeschichten gefallen mir gut, Follett hält sich mit Intrigen und ähnlichem hier viel mehr zurück als in anderen seiner Vorgänger und das gefällt mir. Aber wenn man mit solchen Familiengeschichten überhaupt nichts anfangen kann, dann ist dieser Roman auch nichts. Das will ich gern zugeben ;-)