Rezension

Schlink - ein genialer Erzähler

Olga - Bernhard Schlink

Olga
von Bernhard Schlink

„Was für ein Glück wäre es gewesen, geliebt zu werden!“

Mit diesen Worten zieht Olga ein Resumee aus ihrem Leben, das von ihrer Kraft und der starken Liebe zu zwei Menschen geprägt ist. Während ihr geliebter Herbert sich nach Heldentaten und Entdeckungen sehnt und seine Träume in die Wirklichkeit umsetzt, bleibt sie bodenständig und führt ein überschaubares, ruhiges Leben. Sie ist eine starke Frau, die weiß, was sie will und viel erreicht  -  eine große Leistung für eine junge Frau zu Beginn des 20. Jahrhunderts, der nur wenige finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.

Aus unterschiedlichen Perspektiven breitet der Autor ein langes, ereignisreiches Menschenleben vor uns aus. Bernhard Schlink bettet Olgas Leben in historische Geschehnisse, die jedoch nur gestreift werden, und teilt es in drei Abschnitte. Kindheit und Jugend werden von einem neutralen, allwissenden Erzähler geschildert; Ferdinand, Olgas Schützling und Vertrauter späterer Jahre, charakterisiert die reife Frau, und am Ende gibt Schlink seiner Protagonistin ihre eigene Stimme, die eindrucksvoll in ihren an Herbert gerichteten Briefen erklingt. In seinem prägnanten, leicht lesbaren Stil, der dazu verleitet, ohne Pausen weiter und weiter zu lesen, stellt er knapp, aber eindrücklich ein beinahe 90 Jahre währendes Leben dar. Seine Hauptfigur ist eine Stellvertreterin ihrer Generation: eine auf ihr privates Glück und (Über-)Leben konzentrierte Frau in beobachtender Position, ein kleines Rädchen innerhalb der „großen“ Weltgeschichte wie die meisten Menschen. Herbert vertritt den Typus Mann, der mit hohen Erwartungen und aktivem Einsatz zu Ruhm und Größe des eigenen Landes beitragen will und daran scheitert. Als Vorbild für seinen Part dient dem Autor die historische Figur des Herbert Schröder-Stranz. Olga und Herbert  -  wer von beiden ist der wahre Held? Welches sind eigentlich die wesentlichen Dinge im Leben? Ist es wichtiger zu lieben oder geliebt zu werden?

Nach dieser leicht melancholischen Lektüre bleibt der Leser nachdenklich zurück: Schlinks Roman bietet reichlich Stoff zum Reflektieren.